Himmel uber Langani
Kipchoge, bitte … O Gott, stirb jetzt nicht. Sag mir bitte, was passiert ist!« Schluchzend schrie Sarah die Worte heraus, während sie sich über den Verletzten beugte und ihn schüttelte. Dann aber sah sie nur noch das Weiße in seinen Augen, und sie wusste, dass er tot war.
Anthony kam herbeigeeilt und hob Kipchoges Kopf an. Seine Augen waren vor Entsetzen geweitet, und sie erkannten im Schein der Taschenlampen, dass der Körper des Afrikaners mehrere tiefe Schnittwunden aufwies. Ein Arm war halb abgetrennt und baumelte lose von der Schulter.
»Er ist tot, Sarah.« Anthony drückte das schluchzende Mädchen beruhigend an sich und wandte ihr Gesicht von dem grausigen Anblick ab. »Ich weiß nicht, wie er es überhaupt lebend bis hierher geschafft hat. Konnte er dir noch etwas sagen?«
Von Angst und Abscheu ergriffen, schüttelte Sarah den Kopf. Anthony sah sich aufmerksam um.
»Bestimmt waren es Wilderer«, meinte er. »Aber sie scheinen nicht mit Gewehren bewaffnet zu sein. Offenbar haben sie nur pangas bei sich. Oder sie wollen ihre Munition für eine größere Beute aufsparen.«
Hannah fiel neben Kipchoge auf die Knie. Im Mondlicht hatte ihre Haut die Farbe von Pergamentpapier.
»Woher kam er? Wie konnte er sich mit diesen Verletzungen hierher schleppen? Sicher ist Piet ganz in der Nähe, denn Kipchoge hätte ihn nie allein gelassen, vor allem nicht, wenn er verwundet war.« Mit vor Verzweiflung schriller Stimme rief sie seinen Namen. »Piet? Piet, wo bist du? Piet, um Himmels willen, antworte! Piet?« Sie drehte sich zu Anthony um. »Was ist mit Simon? Vielleicht haben Piet und Simon die Wilderer ja verfolgt. Wenn sie in der Überzahl waren, mussten sie sich möglicherweise verstecken. O Gott, was ist hier geschehen? Was machen die nur mit uns?«
Während sie hysterisch zu schluchzen begann, erschien einer der Landarbeiter.
» Bwana , der Landrover steht hinter den Bäumen auf der Rückseite der Lagerschuppen. Es hat ein Kampf stattgefunden. Ole Sunde, der Nachtwächter, ist dort.«
»Wo denn? Hat er etwas gesagt?« Anthony half Hannah beim Aufstehen. Dann eilten sie die Stufen hinunter und um die Lagerschuppen herum. Piets Wagen stand auf der Lichtung. Neben der offenen Tür lag sein Hund. Sein Leib war mit einer scharfen Klinge aufgeschlitzt worden. Seine Kiefer umklammerten noch Stoff und Hautfetzen.
»Vor seinem Tod hat er noch einmal ordentlich zugebissen«, stellte Anthony fest und berührte kurz den großen braunen Kopf des Tiers. »Hoffentlich hat derjenige richtig was abgekriegt.«
In der Nähe der Personalunterkünfte fanden sie den Nachtwächter. Er lag bäuchlings auf dem Boden, und um seinen Kopf sammelte sich bereits eine dunkle Blutlache.
»Gütiger Himmel«, rief Anthony aus, drehte den alten Massai um und sah ihm in die blicklosen Augen.
Dann sprang er auf und rannte, gefolgt und Sarah und Hannah, zu den Ställen. Sie waren leer. Doch auch hier entdeckten sie Kampfspuren, und der Boden war aufgewühlt und voller Blut. Als Sarah nach Hannahs Hand griff, spürte sie ihr Zittern und hörte, wie ihre Zähne zu klappern begannen. In der Ferne hatten die Hyänen ihr misstönendes nächtliches Konzert angestimmt. Ihr bellendes Gelächter hallte schauerlich durch die Nacht. Sarah wurde von Todesangst gepackt, die ihr die Glieder schwer werden ließ und ihr den Blick verschleierte, als ihr klar wurde, was das zu bedeuten hatte.
»Schnell, Anthony, schnell. Wenn die Hyänen Blut gewittert haben und Piet oder Simon verletzt sind … Wir müssen uns beeilen, Anthony«, schluchzte Hannah.
Sie hasteten zurück zu Anthonys Wagen und folgten mithilfe ihrer Taschenlampen und der Autoscheinwerfer den Spuren, die die Flüchtenden hinterlassen hatten. Vorsichtig fuhren sie über das unwegsame Land und versuchten, so schnell wie möglich voranzukommen und gleichzeitig die Fährte nicht zu verlieren. Als sie die Baumreihen am Fluss hinter sich ließen, hörten sie das laute Geheul des Hyäenenrudels. Sarah gefror das Blut in den Adern. An Hannah geklammert, lauschte sie dem abscheuligen Chor links von der Straße. Dann stieß einer der Farmarbeiter einen Schrei aus.
» Bwana! Sie sind hier entlang!« Es war ein schmaler Pfad, der von den Hyänen wegführte. Kurz darauf wurde Sarah klar, wo sie sich befanden.
»Das ist der Weg zum Berg. Bestimmt will Piet zum Berg. Vielleicht haben sie sich dort ein Versteck gesucht. O mein Gott. Anthony, können wir nicht schneller fahren?«
»Das ist zu
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