Himmel uber Langani
Lottie, die vor Piets Scheiterhaufen standen.
Anthony hatte das Gestrüpp hoch aufgetürmt. Piets Leiche, in ein Laken gewickelt, lag mitten auf dem Scheiterhaufen und war mit mehreren Holzschichten bedeckt. Ringsherum war eine Fläche gerodet worden, um zu verhindern, dass das Feuer auf die umstehenden Bäume übergriff. Außerdem standen am Rand der Lichtung große Wasserfässer, für den Fall, dass der Brand außer Kontrolle zu geraten drohte. Vier von Hardys vertrauenswürdigsten askaris hielten mit geladenen Gewehren Ehrenwache. Juma, Kamau und Mwangi traten, gefolgt von den Farmarbeitern, näher. Alle verharrten mit gesenkten Köpfen vor Piets Scheiterhaufen. Die Morgensonne brannte auf die stille Szene hinab und erstrahlte immer heller, während sie in den wolkenlosen Himmel hinaufstieg. Anthony und Sarah hielten Hannah und Lottie fest an den Händen, als sie alle den Scheiterhaufen ein letztes Mal berührten. Lottie steckte einen Blumenstrauß aus ihrem Garten hinein. Ihre Stimme war zwar leise und zitterte, aber sie nahm alle ihre Kraft zusammen, um ihrem Piet tapfer die letzten Worte mit auf den Weg zu geben.
»Ruhe in Frieden, mein geliebter Sohn. Ich werde dein Andenken immer in meinem Herzen bewahren, mein Piet, den ich nach der Geburt an meiner Brust genährt habe. Du wolltest diesen Ort nie verlassen, und nun wirst du für immer hier ruhen. Werde eins mit diesem Land, das du geliebt hast, mein einziger Sohn, mein Erstgeborener, mein lieber Junge …«
Sie bemerkte nicht, wie ihr die Tränen übers Gesicht rannen, als sie sich vom Scheiterhaufen abwandte und den Arm um ihre Tochter und um Sarah legte, die beinahe ihre Schwiegertochter geworden wäre. Hannah stand aufrecht da und starrte, die Arme fest an die Seiten gepresst, auf den Scheiterhaufen. Als Anthony ihr tröstend die Hand auf die Schulter legen wollte, zuckte sie zusammen, worauf er zurückwich. Hoch über ihren Köpfen sah Sarah einen Geier neugierig im Himmel kreisen, offenbar bereit, die übrigen Aasfresser des Buschs herbeizurufen. Sie erschauderte. Eigentlich wollte sie ein Gebet für Piet sprechen und Gott bitten, ihn aufzunehmen. Doch ihre Seele war wie ausgedörrt, und sie fühlte sich, als wäre Gott tot. Alles war sinnlos, denn schließlich waren auch ihre früheren Gebete für Piets Schutz nicht erhört worden. Im Himmel herrschte Leere, und ihr Glaube war zu Staub zerfallen. Nun würden sie seinen Leichnam den Flammen übergeben, sodass er sich in einen heißen Lufthauch verwandelte und ihr damit für immer genommen war. Nie würde sie ihn wiedersehen. Vielleicht hatte sie ihm nicht oft genug beteuert, wie sehr und über alles sie ihn liebte. Ihn zu verlieren war, als stieße man ihr ein Schwert in den Leib. Wenn sie jetzt zu schreien anfing, würde sie nicht mehr aufhören können, bis ihre Trauer das ganze Land überzog, so wie Piets Blut den Boden getränkt hatte. Also biss sie die Lippen zusammen und schmeckte ihr eigenes Blut im Mund.
Jeremy Hardy räusperte sich. »Möchte noch jemand etwas sagen, bevor wir … Lottie? Hannah? Oder Sie, Sarah? Anthony?«
Anthony musterte die Anwesenden, doch sie schwiegen, und Lottie schüttelte den Kopf. Hannah rührte sich nicht.
»Dann werde ich für uns alle sprechen«, begann Anthony auf Kisuaheli, damit auch die Arbeiter ihn verstehen konnten. »Der Mensch, der hier gestorben ist, war ein großer Mann. Er war mein Arbeitgeber, mein Kollege und mein engster und treuester Freund. Es war eine Ehre, ihn zu kennen. Bwana Piet war ein Mann mit Visionen und ein aufrichtiger Mensch. Er betrachtete dieses Land und seine Farm als ein Geschenk, das man gestalten und mit anderen teilen soll. Bis zu seinem letzten Atemzug hat er gut für uns gesorgt. Wir begreifen nicht, warum er sterben musste.« Seine Stimme brach, und er hielt kurz inne, um sich wieder zu fassen. »Die Hintergründe seines sinnlosen Todes sind uns noch nicht bekannt. Aber wir werden den Mann finden, der diese schreckliche Tat begangen hat, und ihn seinem Richter zuführen. Und nun übergeben wir Piet van der Beer, geliebter Sohn von Bwana Jan und Mama Lottie, Bruder von Hannah, Verlobter von Sarah und mein bester Freund, wieder der Erde, die er geliebt hat, seit er in diesem Land geboren wurde. Wir wünschen ihm, dass er trotz seines viel zu frühen Todes Frieden findet.«
Er winkte Juma heran, und gemeinsam benetzten sie das Holz mit Kerosin. Dann brachten Kamau und Mwangi brennende Fackeln und stießen sie in den
Weitere Kostenlose Bücher