Himmel uber Langani
Maschine zu ihm fliegen. Es geht ihm sehr schlecht, und er ist vor Trauer um seinen Sohn außer sich. Offenbar steht er kurz vor einem Zusammenbruch. Vermutlich wird sie morgen abreisen wollen. Bitte sagen Sie mir, dass ich jetzt auf den Berg fahren kann, Jeremy. Erlauben Sie ihnen, die Leiche einzuäschern, damit wir die Sache noch heute zu einem Abschluss bringen können. Sofort. Alles ist bereit.«
Der Polizist nickte wortlos, denn die aufgewühlten Gefühle, die den Raum erfüllten, waren mehr, als er ertragen konnte.
»Ich weiß nicht, wie ich Sie trösten soll. Dafür gibt es keine Worte, meine liebe Lottie. Um den Papierkram kümmere ich mich später. Jetzt fahren wir zum Berg, um Piet die letzte Ehre zu erweisen. Ihrem Sohn und meinem Freund.«
Als sie hinaus auf die Veranda kamen, wurden sie von einer großen Abordnung des Hauspersonals und der Farmarbeiter erwartet. Bei Tagesanbruch hatten sie sich auf dem Rasen vor dem Haus versammelt und standen nun schon stundenlang schweigend und mit gesenkten Köpfen da. Sie hatten Eier, geflochtene Körbe mit Obst und Gemüse, frisches am offenen Feuer gebackenes Brot, Bergblumen, Perlenketten und Armbänder, geschnitzte Teller und Kürbisflaschen und irdene Töpfe mit Essen als Geschenke mitgebracht und sie auf den Verandastufen abgestellt. Nun strömte die weinende Menschenmenge vorwärts, um Lottie, Hannah und Sarah an der Hand zu berühren und Anthony den Arm zu tätscheln, als dieser voranschritt, um den Frauen einen Weg zu bahnen. Hannah stand, wie erstarrt und ins Leere blickend, auf den Verandastufen, während Lottie jedem die Hand schüttelte und sich für die Anteilnahme und die Geschenke bedankte. Sie versicherte ihnen, Bwana Piet würde sich sicher geehrt fühlen, und drückte dann den Familien von Kipchoge und Ole Sunde, die mit ihrem Sohn gestorben waren, ihr Beileid aus. Währenddessen kehrte Anthony zu Hannah zurück und flüsterte ihr ins Ohr: »Gib ihnen die Möglichkeit, die Trauer mit dir zu teilen, Hannah. Sie haben ihn auch geliebt, und es ist wichtig für sie, es dir zu zeigen.«
Als sie sich wie eine Schlafwandlerin in Bewegung setzte, folgte Anthony ihr und legte ihr die Hand auf den Rücken, damit sie in dem Gewühl von Menschen, die sie anfassen wollten, nicht ins Straucheln geriet. Sarah ging hinter Lottie her und fühlte sich ein wenig ausgeschlossen, denn schließlich war sie nur eine Freundin, kein richtiges Familienmitglied. So dicht war sie davor gewesen, Piets Frau zu werden. Von Trauer überwältigt, kniff sie die Augen zusammen. Da hörte sie Mwangis leise Stimme.
» Memsahib Sarah, ich fühle mit Ihnen. Er war Ihr Mann. Das habe ich gesehen, und wir alle haben uns sehr für Sie beide gefreut.«
»Danke, Mwangi.« Sie nahm seine gichtigen Hände, hielt sie fest und ließ seine Kraft, sein Verständnis, seine Anteilnahme und seine Treue in sich hineinströmen, während er neben ihr herging. Sie schritten zu den wartenden Wagen. Um sich herum hörten sie ein leises Summen, das ganz zart einsetzte und immer lauter wurde, bis eine traurige Hymne der Liebe, des Verlusts und des Gedenkens erklang, gewidmet dem jungen Mann, den sie alle gekannt hatten. Er hatte ihnen Sicherheit und Hoffnung vermittelt, und nun, da er fort war, wollten sie ihm die letzte Ehre erweisen.
An die Fahrt zum Berg oder den Anstieg zum Gipfel konnte sich Sarah später nicht mehr erinnern. Ein Schleier des Elends hatte sich über sie gesenkt und drohte sie zu ersticken, sodass sie nicht einmal in der Lage war, Hannah das letzte Stück Weg hinaufzuhelfen. Es kostete sie alle Mühe, einen Fuß vor den anderen zu setzen, und sie spürte weder ihre schmerzende Schulter noch die Dornen des Gebüschs, die sich in ihren Hosenbeinen verfingen und ihr die Beine zerkratzten, sodass sie sich immer wieder gewaltsam losreißen musste, um weitergehen zu können. Schließlich erreichten sie den Gipfel und standen wieder an der Stelle, wo sie ihren letzten gemeinsamen Abend verbracht und auf die Ebene hinuntergeblickt hatten. Die Flussbiegungen sahen noch aus wie zuvor, die Lodge stand noch immer auf dem kopje , und in der blau schimmernden Ferne erkannte sie das Dach von Langani und die abweisende Silhouette des Berges. Sie hörte den morgendlichen Gesang der Vögel, das Rascheln der Affen, die in den umliegenden Bäumen Beeren und Samen sammelten, und den munteren Chor der Frösche und Zikaden. Alles klang so alltäglich – bis auf den keuchenden Atem von Hannah und
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