Himmel uber Langani
Sarah. Idealistisch, so wie er es war! Aber ich traue diesen Kaffern nicht mehr über den Weg, und keiner von ihnen soll von seinem Tod profitieren. Also ein für alle Mal Schluss damit.«
Sie stürmte hinaus und knallte die Tür hinter sich zu. Sarah war wie von den Kopf geschlagen, und die feindselige Reaktion hatte sie sehr erschreckt. Mein Gott, wie dumm von ihr! Es war noch viel zu früh, um dieses Thema anzuschneiden. Außerdem hatte Hannah möglicherweise Recht. Bis jetzt hatten sie keine Gewissheit, dass wirklich niemand aus Langani an diesen Verbrechen beteiligt war. Simon hatte sicher Komplizen gehabt. Erschöpft lehnte Sarah sich an den Schreibtisch. Würde dieser Albtraum denn niemals enden? Würden sie alle in Langani so lange mit Hass und Misstrauen leben müssen, bis die gesamte Farm wieder in der afrikanischen Erde versank? Als sie aus dem Büro kam, schob einer der Hunde seine kalte Schnauze in ihre Hand und wedelte mit dem Schwanz, bis sie wider Willen lächelte.
Sarah setzte sich auf die Veranda vor ihr Zimmer und ließ sich von Mwangi Tee bringen. Die Hunde lagen links und rechts von ihr und stellten sich schlafend, und nur ein Zucken ihrer pelzigen Brauen verriet, dass sie sich für den Keks in ihrer Hand interessierten. Aber Piets Hund fehlte. Piet fehlte. Er würde ihr nie wieder etwas zurufen, strotzend vor Träumen, Optimismus und gemeinsamen Zukunftsplänen. Sarah brach in Tränen aus. Von Schluchzern geschüttelt, rang sie um Fassung. Die Hunde blickten auf und leckten leise wimmernd ihre Hand. Als Sarah ihr weiches Fell streichelte und mit ihnen sprach, legte sich ihre Trauer wieder ein wenig. Nach einer Weile setzte sie sich auf und ließ den Blick über den Horizont schweifen. Sie erschauderte, als sie bemerkte, dass sie den Gipfel jenes Berges gerade noch erkennen konnte. Eines Tages würde sie dort hinaufgehen müssen. Und zur Lodge. Lange würde sie sich nicht mehr davor drücken können, wenn sie wollte, dass die Albträume endlich aufhörten. Sie musste sich damit auseinander setzen, aber dazu war sie jetzt noch nicht fähig. Allein beim Anblick der Bergkette wurde ihr flau ihm Magen, und abscheuliche Bilder stiegen in ihr hoch.
Sie war erleichtert, als Hannah sie am nächsten Morgen fragte, ob sie mit ihr ausreiten wolle. Auf dem Weg zu den Ställen herrschte angespanntes Schweigen. Sarah nahm die Zügel des Fuchswallachs vom syke [65] entgegen, zog sorgfältig den Sattelgurt fest und versuchte, nicht daran zu denken, wie fröhlich Kipchoge beim Satteln der Pferde gekichert hatte. Hannah wendete ihr Pferd, und sie trabten vom Hof. Es war das erste Mal, dass sie ohne Piet ausritten. Hannah bestimmte das Tempo, und als sie offenes Gelände erreicht hatten, galoppierte sie über das kurze Gras. Im Schatten eines wilden Feigenbaums stiegen sie ab. Hannah holte eine Thermosflasche und zwei emaillierte Tassen aus der Satteltasche und schenkte Kaffee ein.
»Ich möchte mich wegen gestern entschuldigen«, begann sie. »Es war nicht nett, was ich dir an den Kopf geworfen habe. Ich weiß, dass du mir nur helfen wolltest, und ohne dich wüsste ich gar nicht, was ich machen soll. Ich habe versucht, mir vorzustellen, was er von mir erwarten würde. Aber ich schaffe es nicht. Mir fällt nichts ein, was ich sonst noch sagen könnte, außer dass es mir sehr Leid tut.«
»Du musst andere an dich heranlassen, Han«, erwiderte Sarah. »Dir bleibt nichts anderes übrig, als weiterzuleben, wenn auch nicht so wie früher, denn das geht für uns alle nicht mehr. Aber du musst einen Neuanfang wagen.«
»Ich sitze in der Falle!«, schrie Hannah verzweifelt auf. »Es ist, als wäre ich in einem dunklen Loch gefangen, aus dem es kein Entrinnen gibt. Es ist immer da und verschlingt mich. Ich dachte, ich könnte die Farm leiten, aber allein ist es zu viel für mich. Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
Als sie sich zum Berg umwandte, folgte Sarah ihrem Blick und erschauderte, da wieder quälende Erinnerungen in ihr aufstiegen. Sie streckte die Hand nach Hannah aus, doch diese zuckte zusammen und wich zurück.
»Hast du dir je überlegt, ob du nicht Lars bitten solltest zurückzukommen?«
»Nein!«, empörte sich Hannah. Sie brach einen Zweig von einem Busch ab und stieß ihn heftig in den Boden. »Das könnte ich nie von ihm verlangen. Niemals.«
»Weil du Viktor noch liebst?«, erkundigte sich Sarah.
»Auf keinen Fall, zum Teufel!« Hannah rammte den Stock so heftig in den Sand, dass er
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