Himmel uber Langani
kam, hatte sie niemals kochen müssen. Wenn man die Wohnung mit seinem Bruder teilte, kam man zwar nicht umhin, sich ein paar Grundkenntnisse anzueignen, aber für so viele Leute kochen?
»Nein, nicht wirklich. Aber ich könnte an den Tischen bedienen, mit den Leuten reden oder …«
»Ich bin sicher, du kannst Kartoffeln schälen. Gut. Die Küche ist dort drüben.«
Auch Kartoffelschälen hatte Sarah in Kenia nicht gelernt, aber Cathy hatte Mike bereits am Arm gepackt und ihn mit sich gezogen. An der Küchentür blieb sie unschlüssig stehen, bis eine stämmige Frau mittleren Alters am Spülbecken sie ansprach.
»Vielen Dank fürs Kommen, Schätzchen. Hier ist ein Eimer mit Kartoffeln – einfach abschrubben. Mach dir nicht die Mühe, sie zu schälen. Wir kochen sie in der Schale.« Sie musterte Sarah von oben bis unten. »Ach, du meine Güte! Du solltest dir besser eine Schürze suchen, damit du dir dein Kleid nicht schmutzig machst – es ist viel zu schick für diese Arbeit. Du bist hier nicht auf einem Tanzabend, verstehst du?«
Sarah wurde rot. Wie dumm von ihr! Sie hatte aus Respekt für die Gäste, die sie bedienen sollte, ihre besten Sachen aus dem Schrank geholt. Und nun wirkte es so, als wollte sie damit angeben. Nun, für das nächste Mal wusste sie Bescheid. Sie fand ein Geschirrtuch, band es sich um die Taille und machte sich mit einer Bürste an die Arbeit. Im Laufe des Abends wurde es in der Küche immer heißer und dampfiger, während sie Karotten schnitt, Kasserollen spülte und Bratpfannen auskratzte. Ihre Wangen glühten, und ihr sorgfältig frisiertes Haar hing ihr strähnig in die Stirn. Sie schleppte riesige Töpfe mit Kartoffeln und Gemüse vom Ofen zum Küchentisch und verteilte den Inhalt auf Teller. Dann ging es wieder zurück zum Spülbecken und zu den fettigen Pfannen und Servierplatten.
Draußen im Saal füllten sich die Plätze an den Tischen. Freiwillige Helfer wiesen die Gäste ein, schenkten Orangensaft aus und reichten Teller mit Brot und Butter zur Suppe. Hin und wieder konnte Sarah an der Küchentür einen Blick in den Saal werfen. Männer und Frauen allen Alters in abgetragener Kleidung drängten sich auf den Bänken und griffen nach dem Besteck. Ihre Hände waren rau, ihre Fingernägel schmutzig. Einige blickten gehetzt drein, als wären sie auf der Flucht, während sie hastig ihre Suppe löffelten und Brot hineintunkten. Sie fragte sich, was sie auf die Straße getrieben haben mochte und dazu gebracht hatte, in Hauseingängen unter Pappkartons zu leben. Es beschämte sie, dass sie sich vorher darüber geärgert hatte, den schlechtesten Job hier bekommen zu haben. Selbst ihre bescheidene kleine Wohnung war warm und trocken. Es gab kaltes und warmes fließendes Wasser, parfümierte Seife und saubere Handtücher und Bettlaken. Ihr Leben war der Himmel auf Erden im Vergleich zu dem auswegslosen Schicksal dieser elenden Menschen, die oft nichts zu essen hatten und jeden Tag in der Angst lebten, zusammengeschlagen zu werden oder von geschäftigen Passanten oder der Polizei vertrieben wurden.
»Wenn ich versuche, mit ihnen zu sprechen, werden sie sich wahrscheinlich an meinem vornehmen Akzent, meiner teuren Kleidung und meiner privilegierten Herkunft stoßen«, sagte sie leise zu sich selbst. »Und das mit Recht.« Die Köchin rief nach ihr, und sie kehrte zu ihrer Arbeit am Spülbecken zurück.
Nachdem der Pudding serviert worden war, kam es zu einem Zwischenfall. Sarah hörte den Lärm, als sie gerade einen weiteren Stapel Teller abwusch. Sie folgte der Köchin zur Küchentür und schaute in den Saal. Mike stand in der Mitte des Raums und redete auf einen hageren Mann ein, der einen in der Taille mit einer Schnur zusammengebundenen Mantel trug.
»Es tut mir Leid, John-Jo. Du kannst nicht hereinkommen.« Mikes Stimme klang bestimmt, als er die Hand auf den Arm des Mannes legte. »Du weißt, dass du beim letzten Mal Hausverbot bekommen hast.«
John-Jo versuchte, sich an Mike vorbeizudrängen, brüllte etwas Unverständliches und zog etwas aus seiner Tasche. Die Umstehenden wichen zurück, als er mit den Armen fuchtelte und mit Mike rang. Mit einem Mal war es in dem Saal ganz still geworden. Alle sahen zu und warteten. Dann kam Pater Connolly aus seinem Büro gelaufen.
»John-Jo, du kennst die Regeln. Kein Alkohol hier drin.« Der Priester nahm ihm die Flasche ab. »Sollen wir dir einen starken Tee machen? Für alles andere bist du zu spät dran. Wenn du hier essen willst,
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