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Himmel über Darjeeling

Himmel über Darjeeling

Titel: Himmel über Darjeeling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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fauchte Helena ihn an, hochrot im Gesicht vor Scham, von ihm wie ein dummes Mädchen gerügt zu werden, ebenso wie vor Zorn. Vehement kämpfte sie darum, sich aus seinem Griff zu befreien, doch er verstärkte nur den Druck seiner Hand, zog sie sogar noch näher zu sich und starrte ihr regungslos ins Gesicht.
    »Du vergisst, dass ich hier der Herr im Haus bin, und als meine Frau hast du mir zu gehorchen! Zumindest, bis du aufhörst, dich wie eine dumme, verzogene Gans zu benehmen, habe ich allein das Sagen!«
    »Ja, ich bin deine Frau, gezwungenermaßen, aber deshalb bin ich noch lange nicht dein Eigentum! Du kannst nicht von mir verlangen, so unter die Leute zu gehen, nicht in diesem Kleid!«
    Ian sah sie lange an, mit einem Blick, der sie schwer atmend verstummen ließ, dem sie aber dieses Mal standzuhalten vermochte, wild und mit all ihrer Kraft.
    »Es ist ein sündhaftes Kleid«, sagte er schließlich leise, »da stimme ich dir zu. Aber du bist auch keine Klosterschülerin – alles andere als das. Also versuch gar nicht erst, dich zu verstellen.«
    Sie riss den Kopf zurück, hieb mit ihrer freien Hand auf ihn ein.
    »Lass mich los, hör sofort auf, du Mistkerl, du gottverdammter Bastard, ich – «
    Ein heftiger Schlag ließ ihren Kopf zur Seite fliegen, eine Wolke des Schmerzes in ihrem Gesicht explodieren, als sie auf das Bett fiel, auf dem der Stein des Anstoßes in seiner ganzen Herrlichkeit ausgebreitet lag.
    Ungläubig hielt sie ihre brennende Wange und sah zu Ian hoch, dessen Bild durch den Strom der Tränen, die ihr unwillkürlich das Gesicht herabliefen, verschwamm.
    »Nenn mich niemals wieder einen Bastard – nie wieder «, sagte er leise, mit einer rauen Stimme, die Helena einen Schauder den Rücken hinablaufen ließ. An der Tür drehte er sich noch einmal um.
    »Ich schicke dir Margaret und Jane – sieh zu, dass du in zwei Stunden wieder ansehnlich bist«, befahl er kalt, ehe er die Tür hinter sich zuschlug.
    Richard Carter langweilte sich, aber das war ihm nichts Neues, und schließlich war er nicht zum Vergnügen hier, sondern um bestehende Geschäftskontakte zu vertiefen und neue zu knüpfen. Das oberflächliche Geplänkel ödete ihn an, das geistlose Geschwätz der arroganten Gentlemen und ihrer herausgeputzten, albernen Damen. Er hatte an diesem Abend bereits seine erste Runde gemacht, Hände geschüttelt, leichthin Konversation über das Wetter, die aktuelle Tagespolitik und die wirtschaftliche Lage gemacht, und nun hielt er Ausschau nach dem einen oder anderen Kunden, mit dem sich ein tiefsinnigeres Gespräch lohnte, das nach ein paar Gläsern Scotch zu einem lukrativen Abschluss führen konnte. Er trat an die Galerie und sah hinab in die Menschenmenge, deren Stimmen summend wie die eines Bienenvolkes den hellerleuchteten Ballsaal füllten. Auf- und abschwellendes Gelächter drang zu ihm empor, als er seine Augen über die eleganten Roben in Mauve und Flieder schweifen ließ, in Smaragdgrün, Zartgelb und Bleu, über spitzenumsäumte, juwelengeschmückte Dekolletés, wippende Fächer, die kontrastierenden schwarz-weißen Fräcke der Herren und hier und dort ein roter, goldbetresster Uniformrock dazwischen. Sein Blick blieb an einer einzelnen Gestalt am Rand des Saales hängen, und unwillkürlich umklammerten seine Hände das Geländer.
    »Grundgütiger, Richard – welches Gespenst ist Ihnen gerade erschienen?«
    »Lord William, schön Sie zu sehen!«
    Die beiden Männer tauschten einen herzlichen Händedruck.
    »Die Freude ist ganz auf meiner Seite. Was machen die Geschäfte?«
    »Ich bin zufrieden«, gab Richard Carter sich bescheiden.
    Der jüngste Sohn des Earl of Holingbrooke grinste breit über sein jungenhaftes, sommersprossiges Gesicht.
    »Das heißt, Sie scheffeln weiter Ihre Dollars! Beneidenswert … Ihre Spürnase sollte man haben! Obwohl ich dank Ihnen meinen kümmerlichen Anteil des Familienvermögens erheblich vergrößern konnte.«
    »Dann verdanke ich wohl Ihnen meine Einladung zu dieser illustren Gesellschaft.« Richard machte eine ausholende Handbewegung, die den Ballsaal und das geräumige Stadthaus Lord Chestertons einschloss.
    Das Grinsen Lord Williams verbreiterte sich, und er winkte einen der in Blau und Gold livrierten Diener heran, von dessen Tablett sie sich beide ein Glas nahmen.
    »Sie überschätzen meinen Einfluss. Auch wenn Sie nur ein Emporkömmling aus den Kolonien sind«, er zwinkerte Richard zu, »so gibt es doch genug Lords und Ladys, die Ihnen so wie ich

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