Himmel über dem Kilimandscharo
Wasser gluckerte. Einmal spürte sie kühle Tropfen auf ihrer Haut wie einen kräftigen Regen, sie sah eine Hand, die ein Büschel nasser Blätter hielt und sie damit besprengte. Man flößte ihr Wasser ein, sie trank es durstig und erbrach es gleich wieder. Als sie danach die Augen schloss, zog ein kreisender Strudel sie tief hinab in dröhnende Finsternis.
Nur langsam trieb sie wieder an die Oberfläche des Bewusstseins, das Dröhnen wurde zu einem leisen Pfeifen, die Schmerzen kehrten zurück. Um sie herum war Dämmerlicht, aus dem sich glänzende schwarze Gestalten lösten, von Rauchschwaden umweht. Jetzt nahm sie auch den scharfen Geruch des Feuers wahr, und als sie zu husten begann, war es, als steche man ihr mit Messern in den Leib.
Ein schwarzes Gesicht beugte sich über sie, es war klein und mager, das Weiße der Augen von roten Äderchen durchzogen, die Pupillen glänzten. Über diesem Gesicht tauchte ein zweites, geflecktes auf. Der Kopf eines Leoparden.
Es war kein Fiebertraum, dieses Doppelwesen aus Mensch und Tier war Teil der Wirklichkeit. Vier Augen starrten sie an, zwei Hände betasteten ihren Bauch, aus dem menschlichen Mund kamen murmelnde Worte. Die Hände schienen in ihren Körper eindringen zu wollen, stießen auf ihr Mieder und wanderten über ihre Arme zu den Handgelenken. Jemand kreuzte ihr die Arme vor der Brust, hob ihren Kopf an und flößte ihr einen heißen Sud ein. Sie schluckte etwas von dem widerlich fauligen Gebräu, würgte und wollte sich erbrechen, doch man drückte sie zurück auf ihr Lager, und eine Hand verschloss ihren Mund. Eine Weile kämpfte sie, hustete, schluckte, rang nach Luft und war nahe daran zu ersticken, dann richtete man sie von Neuem auf und zwang sie, einen weiteren Schluck von der stinkenden Brühe zu nehmen. Die Quälerei wollte nicht aufhören, am Ende war ihr alles gleichgültig, sie trank den Sud bis auf den letzten Tropfen in der Hoffnung, dass man sie dann in Ruhe ließ. Seltsamerweise hatte ihr Magen die gleiche Entscheidung getroffen, denn er hörte auf zu rebellieren, sogar der Schmerz ließ nach, und als man endlich von ihr abließ, fiel sie in einen traumlosen Halbschlaf.
» Er will wissen, ob sie deine bibi ist.«
» Sag ihm, sie ist… die bibi eines Freundes.«
Charlotte vernahm die Sätze, konnte sie jedoch nicht recht zuordnen. Sie schwamm in einem sanften, warmen Fluss, trieb willenlos mit dem Strom dahin, und das Gefühl war so angenehm, dass sie auf keinen Fall wollte, dass es verging.
» Er fragt, wo dein Freund ist. Weshalb er nicht selbst kommt.«
» Sag ihm, dass mein Freund krank ist und ich deshalb an seiner Stelle komme.«
Der Strom wurde unruhig, und das schöne Gefühl des sachten Dahingleitens verebbte. Kleine Wellen schwappten über ihren Bauch, abgerissene Zweige trieben an ihr vorüber und stießen gegen ihren Körper. Es waren die vielen Stimmen, die ihre Ruhe gestört hatten, draußen redeten mehrere Leute durcheinander, ein unverständliches Palaver, von dem sie nur hin und wieder einen Satz verstand.
» Der Häuptling sagt, er will weiße bibi behalten, wenn sie nicht dir gehört.«
Plötzlich versiegte der sanfte Fluss, der sie getragen hatte, ließ sie im harten Uferkies zurück, und es dämmerte ihr, dass man möglicherweise über sie redete. Die Stimme kam ihr bekannt vor.
» Sag ihm, dass ihr Mann mein Gast und mein Bruder ist. Ich werde in allem so handeln, als sei sie meine eigene bibi!«
Das war von Roden, der da draußen verhandelte. Charlotte schlug die Augen auf und versuchte, im Dämmerlicht etwas zu erkennen. Wo war sie nur? Ihr Magen brannte, ihr Kopf schmerzte, und als sie sich jetzt aufsetzen wollte, wurde ihr so schwindelig, dass sie gleich wieder zurücksank.
» Der Häuptling will sie dir nicht geben, bwana.«
» Warum nicht? Was will er mit einer weißen bibi? Sind ihm die bibi der Dschagga nicht mehr gut genug? Sind sie faul oder hässlich? Bringen sie keine Söhne mehr auf die Welt?«
» Nicht zornig, bwana. Sonst sie uns töten.«
» Übersetze, was ich gesagt habe, verdammt!«
Wieder vernahm sie Worte in einer unbekannten Sprache, doch langsam begann sie zu begreifen. Der Sturz vom Maultier, das schreckliche Würgen, das Fieber, die Maskengeister… Sie befand sich in einer niedrigen, kreisrunden Hütte, dort glomm noch ein Feuer, dessen Rauch jetzt senkrecht zur Decke emporstieg und durch ein kleines Loch abzog. Eine Frau hockte in einiger Entfernung von ihr am Boden und wandte ihr
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