Himmel über dem Kilimandscharo
befürchtet, einen Fall von Cholera vor mir zu haben. Was haben Sie gegessen, bevor Sie sich übergeben mussten? Haben Sie Wasser aus einem Bach oder Tümpel getrunken? Nein? Nun, Sie haben ja wirklich Glück gehabt, dass von Roden so ein entschlossener Bursche ist, sonst hätte dieser Dschagga-Häuptling Sie wohl in seinen Harem gesteckt. Sie haben mehrere Frauen, diese Neger, sie lassen sie auf den Feldern arbeiten, während sie selbst nur dahocken und dabei zuschauen, eine praktische Sache, was? Aber im Ernst: Von Roden hat Ihnen das Leben gerettet, weil er Sie gerade noch rechtzeitig dort herausgeholt hat…«
Er nahm das Thermometer, hielt es in die Höhe und kniff ein Auge zu, um den Stand der Quecksilbersäule genau abzulesen.
» Das sieht doch gut aus, junge Frau. Im Grunde hätte ich unten in Moshi bleiben können…«
» Die Dschagga haben mir einen Sud eingeflößt, ein Heilmittel, glaube ich. Danach ging es mir viel besser…«
» Ach was! Von Roden hat Ihnen Chinin gegeben, vermutlich hat das jetzt endlich gewirkt. Und natürlich der Schlaf. Sie müssen tüchtig essen, dann sind Sie in ein, zwei Tagen wieder auf dem Damm. Aber bevor Sie unter Menschen gehen, sollten Sie sich das Haar zurechtmachen, junge Frau. Momentan schauen Sie aus wie eine Dschagga…«
Er lachte ausgiebig über seinen eigenen Scherz, vermutlich gehörte diese Heiterkeit zu seinem Beruf; es ließ sich leichter mit den Kranken umgehen, wenn man sie zum Lachen brachte. In Charlottes Fall wollte es ihm jedoch nicht so recht gelingen, sie erschrak, als sie in ihr Haar fasste. Die kleinen Zöpfchen an Schläfen und Hinterkopf waren steif, der trockene Lehm bröselte heraus, vermutlich hatte sie das Bettzeug damit ruiniert.
» Ja, die Vorstellungen von Schönheit sind halt recht unterschiedlich«, plauderte er gut gelaunt weiter. » Manche Neger schmücken sich mit Narben am ganzen Körper, andere durchbohren sich die Nasen und Ohrläppchen, um irgendwelches Zeug hindurchzustecken. Dafür schnüren sich unsere Damen so eng ein, dass sie kaum Luft bekommen, und wir Männer lassen uns solche Matratzen auf der Oberlippe wachsen…«
Grinsend strich er über seinen Schnurrbart, klappte seine Tasche wieder zu und reichte ihr die Hand.
» In ein paar Tagen… Wie gesagt… Sie machen gute Fortschritte… Es war mir ein Vergnügen… Wenn Sie nach Moshi herunterkommen, stehe ich selbstverständlich zu Ihrer Verfügung. Das Gleiche gilt für den Offiziersstab und die Leute von der Mission– unsere deutschen Landsleute finden überall tatkräftige Unterstützung…«
Sie konnte sich kaum bedanken, da hatte er schon die Tür geöffnet, grinste ihr noch einmal frohgemut zu und ging eilig hinaus. Wie seltsam, dachte sie und musste lächeln. Er rennt davon, als würde ein ganzes Krankenhaus voller Verwundeter und Seuchenopfer auf ihn warten– in Wirklichkeit erwartete ihn nebenan vermutlich ein reich gedeckter Tisch und ein guter Tropfen, die Gastfreundschaft des Max von Roden war ihr ja bereits bekannt – sie selbst hatte sie in übergroßem Maß in Anspruch genommen. Wie lange sie wohl schon hier lag? Einen Tag? Oder länger? Neben der Couch hatte man eine umgedrehte Kiste als Nachttisch aufgestellt, darauf standen ein Krug mit Limonade, mehrere Trinkbecher und zwei braune Fläschchen. Sie erinnerte sich schwach daran, dass eine schwarze Frau sie zum Sitzen aufgerichtet hatte, um ihr ein Getränk einzuflößen. Mit sanften, geschickten Händen hatte sie ihr den Becher an den Mund geführt und dabei leise auf sie eingeredet, als wäre sie ein krankes Kind. Ob sie ihr auch dieses merkwürdige Hemd angezogen hatte? Es war aus weißer Baumwolle, hatte lange Ärmel, eine Knopfleiste, und– es war ein Männernachthemd!
Drüben im Wohnzimmer unterhielten sich Dr. Brooker und von Roden, doch sie sprachen mit gedämpften Stimmen, so dass sie kaum ein Wort verstehen konnte. Ein ungutes Gefühl beschlich sie. Hatte der Doktor nicht gesagt, sie sei in wenigen Tagen wieder ganz gesund? Weshalb also flüsterten sie, als läge nebenan eine Schwerkranke?
Eine schwarze Angestellte mit einem Tablett in den Händen trat ins Zimmer. Sie war bezaubernd anzusehen: Ihre füllige Gestalt steckte in einem weiten, blaurot gemusterten Gewand, eine üppige, aufwendig gebundene Haube aus dem gleichen Stoff bedeckte ihr Haar.
» Bibi Ohlsen hat klare Augen. Jetzt sie kann essen. Viel essen, Hamuna bringt dir gute Suppe von Hühnerfleisch und Gemüse.«
Sie schob
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