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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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sich in der Nähe der Leipziger Missionsstation befände, man würde sie dorthin geleiten, nachdem man gemeinsam einen kleinen Imbiss eingenommen habe. Ihre Mitreisenden Herr Anton Dobner und Herr Dr. Meyerwald seien ebenfalls anwesend; beide hätten beschlossen, die Karawane zu verlassen, um der jungen Frau Ohlsen beizustehen. Das hielten sie für ihre menschliche und patriotische Pflicht, schon allein um ihres verstorbenen Reisegefährten willen, der ein großartiger Mensch gewesen sei, aber auch, um eine unglückliche junge Witwe nicht schutzlos in der Fremde allein zu lassen. Besonders Dr. Meyerwald sei sehr betrübt über diesen Unglücksfall, zumal er schon länger die Vermutung gehegt habe, dass der arme Christian Ohlsen unter einem unheilbaren Fieber litt, er habe sein Ende sozusagen kommen sehen…
    Trotz der Rührung über die Solidarität ihrer Mitreisenden verspürte Charlotte wenig Lust auf eine ausgedehnte gemeinsame Mahlzeit. Vor allem Dr. Meyerwalds ausführlichen Traktaten waren ihre Nerven ganz sicher nicht gewachsen.
    » Kommen Sie«, sagte Max von Roden, der gesehen hatte, wie ihr zumute war. » Ich begleite Sie. Die Mission ist nicht allzu weit entfernt.«
    Sie warf ihm einen dankbaren Blick zu. Zu Fuß verließen sie die Station, folgten einem Pfad durch vertrocknende Wiesen, vorüber an Tamarinden und Schirmakazien, zwischen denen hier und da ein paar Hütten standen, rasch zusammengezimmerte Verschläge aus Holz, mit Wellblech gedeckt. Die meisten waren Läden, die von Indern geführt wurden.
    Die Missionsstation erwies sich als ein niedriges Gebäude aus Lehm, dem man ansah, dass es nur als Provisorium gedacht war. Neben dem Haus hatte man einen Garten angelegt, in dem Salat, Karotten und Kohlpflänzchen gegen die Trockenheit ankämpften, auch einige Bäumchen waren gepflanzt worden. Eine schwarze Frau, von rötlichem Staub umhüllt, war mit Unkrautjäten beschäftigt, vor dem Haus hockten vier Kinder in Gesellschaft eines weiß gekleideten Missionars und übten sich in der Kunst, dicken Maisbrei mit Hilfe eines Löffels aus einem hölzernen Napf in sich hineinzustopfen. Der Missionar war ein schlanker, junger Mann; als er Charlotte und von Roden erblickte, erhob er sich, um ihnen entgegenzugehen, und stellte sich als Pfarrer Walter vor.
    » Frau Ohlsen! Seien Sie uns willkommen. Gott der Herr hat Ihnen eine harte Prüfung auferlegt, wir alle fühlen mit Ihnen.«
    Er hatte gütige, blaue Augen, die von Enthusiasmus und einer gewissen Willensstärke sprachen– eine Mischung, die Charlotte bereits bei vielen christlichen Missionaren bemerkt hatte. Sein Händedruck war intensiv, und er hielt ihre Hand noch eine kleine Weile fest, als verleihe er seinen Worten durch diese Geste eine stärkere Bedeutung.
    » Frau Ohlsen möchte das Grab ihres Mannes besuchen«, erklärte Max von Roden.
    » Natürlich. Es ist ganz in der Nähe. Ich rufe nur Pfarrer von Lany herbei, damit er sich um die Kinder kümmert, dann begleite ich Sie.«
    » Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich gern allein gehen. Sagen Sie mir einfach, wo es sich befindet.«
    Er nickte verständnisvoll, wenn auch ein wenig betreten, dann wies er mit der Hand zu einer breiten Schirmakazie, die nur einige hundert Meter von der Mission entfernt zwischen Buschwerk und niedrigem Gestrüpp wuchs.
    » Ihr Mann wurde mit dem Segen der Kirche bestattet, Frau Ohlsen. Er liegt gleich neben unseren beiden jungen Mitbrüdern Segebrück und Ovir, die letztes Jahr am Meru-Berg zu Märtyrern ihres Glaubens wurden. Gottes Rat ist unergründlich, auch die Erde Afrikas ist Gottes Erde. Gehen Sie im Frieden des Herrn…«
    Christians Grab war ein frisch aufgeworfener, rötlicher Erdhügel, von dem der Wind den trockenen Staub emporwehte. Kleine Steine in Form eines Kreuzes lagen darauf. Um den Hügel herum wuchsen silbergraue und dunkelgrüne Grasbüschel, Disteln reckten ihre runden Köpfe empor und zeigten inmitten der Stacheln einen Ring winziger, lila Blüten.
    Eine Weile stand sie reglos da, versuchte zu begreifen, dass dort unter der staubigen Erde Christians Körper lag, starr und ohne Leben, ein Leichnam. Dann spürte sie plötzlich einen Windhauch und hob den Blick. Wie zum Hohn zeigte sich jetzt der mächtige Berg über den Nebeln der Regenwälder, schien wie eine Traumerscheinung in der Ferne zu schweben, schöner und klarer denn je schimmerte der Gipfelfirn gegen den tiefblauen Himmel. Der Ort ihrer Träume, ihrer Hoffnungen, ihrer

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