Himmel über dem Kilimandscharo
mit den übrigen Vierteln?«
Man erklärte ihr, dass die indischen und arabischen Geschäftsleute sich normalerweise selbst gegen Überfälle schützten, es gäbe bewaffnete Angestellte und Wächter.
» Schön, wenn man sich darauf verlassen kann…«
Sie war ärgerlich geworden und ging dem deutschen Leiter der Polizeitruppe auf die Nerven, so dass er sich schließlich zu der Bemerkung hinreißen ließ, sie könne froh sein, nicht als Mitwisserin dieses Inders Kamal Singh angeklagt zu werden. Sie habe sich in seine kriminellen Machenschaften hineinziehen lassen, die Schmuggelware sei in ihrem Laden entdeckt worden, und nur weil sich der Missionar Peter Siegel für sie eingesetzt habe, lasse man die Angelegenheit auf sich beruhen. Sie solle sich eben ein Geschäft im deutschen Viertel anmieten, das sei allemal besser, als sich unter Neger und Inder zu mischen.
Mutlos kehrte sie in die Inderstraße zurück. Die Mieten im deutschen Viertel waren viel zu hoch, und außerdem– wer würde dort einkaufen? Höchstens die wenigen deutschen Frauen, die anderen Kunden würden in der Inderstraße bleiben.
Inzwischen war Pfarrer Peter Siegel zu seinem täglichen Besuch eingetroffen, er zeigte sich tief erschrocken über die Vorgänge der Nacht, rüttelte zaghaft an den zerbrochenen Klapptüren, dann wanderte sein besorgter Blick zu den aus Lehmziegeln gemauerten Stufen, die hinauf in die Wohnung führten.
» Sie können hier unmöglich bleiben, Frau Ohlsen. Zwei schutzlose Frauen, die der Gewalt dieser Räuberbanden ausgesetzt sind… Ich habe Klara angeboten, vorläufig in unserem Missionshaus am Immanuelskap Quartier zu beziehen, dort wird auch Platz für Sie sein. Und Schammi wollte ohnehin schon lange in der Missionsschule lesen und schreiben lernen…«
Charlotte setzte sich auf einen Schemel, den die Einbrecher verschmäht hatten; der schöne Sessel, in dem Christian stets gesessen hatte, war ihnen lieber gewesen. Sie war mit ihren Kräften am Ende und fragte sich verbittert, wie das Schicksal so boshaft sein konnte. Es hatte ihr ihren Mann genommen, wollte auch Klara von ihr trennen, und nun brachte es sie um das Einzige, das ihr noch geblieben war: ihren Laden, ihre kleine Wohnung, das kleine Refugium, das sie sich geschaffen hatte. » Danke für das Angebot«, sagte sie ablehnend. » Wenn Klara in die Mission ziehen möchte, kann ich das gut verstehen, und ich werde auch Schammi nicht zurückhalten. Ich aber weiche nicht von der Stelle.«
Resigniert ließ der Missionar die Arme sinken und drang nicht weiter auf sie ein, da er einen Streit vermeiden wollte. » Wenn Charlotte hierbleiben will, dann werde ich sie nicht allein lassen«, sagte Klara leise. » Es tut mir leid, Peter.«
» Ich will, dass du gehst, Klara!«, rief Charlotte aufgebracht, doch ihre Cousine blieb standhaft
» Nein!«
Klara, die allzeit Fügsame, konnte in seltenen Momenten unfassbar hartnäckig sein. Sie habe diesen Entschluss im Gebet getroffen, er sei unumstößlich, niemand könne sie davon abbringen. Auch Schammi wollte sich auf keinen Fall von bibi Charlotte trennen. Der Missionar seufzte tief, und der Blick, mit dem er Charlotte bedachte, war voller unausgesprochener Vorwürfe.
» Ich werde auf dich warten, Klara«, sagte er leise, als er sich verabschiedete. » Ich habe tiefstes Verständnis für deine Treue zu Charlotte– aber bitte vergiss nicht, dass du auch mir ein Versprechen gegeben hast.«
Charlotte hatte das niederschmetternde Gefühl, allen Menschen, die sie liebte, unrecht zu tun. Und doch wusste sie sich keinen anderen Rat, als um ihre Existenz zu kämpfen. Im Laden eines Arabers kaufte sie ein Gewehr und dazu Munition, sie lief an den Strand, um Schießübungen mit der alten Büchse abzuhalten, und kehrte mit schmerzender Schulter, aber guten Mutes zurück. Sie beauftragte einen indischen Handwerker, die zerschlagenen Klapptüren ihres Ladens zu ersetzen, was sie viel Geld kostete, aber die Arbeit, die er leistete, war die Sache wert. Für den Rest ihrer Ersparnisse kaufte sie neue Waren ein, feilschte lange um die Preise und stellte fest, dass Kamal Singh ihr die Sachen zu weitaus besseren Bedingungen geliefert hatte. Einige Wochen lang überlebten sie nur, weil Klara mit ihrer Näherei Geld dazuverdiente. Die Kunden kehrten zögernd in den Laden zurück, sie waren wählerisch und behaupteten, in den anderen Läden für Streichhölzer, Petroleum und Reis weniger bezahlen zu müssen.
Kondolenzbriefe aus
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