Himmel über dem Kilimandscharo
Herstellung von Sisalfasern dienen sollten und die Max » Raspador-Maschinen« nannte– Schabmesser-Maschinen. Alles war in kleine und kleinste Einzelteile zerlegt. In zwei oder drei Jahren schon würde man endlich die ersten Sisalblätter ernten und die Faser daraus gewinnen. Dazu wurden die mehr als hüfthohen, fleischigen Blätter abgeschnitten und durch die Maschinen gejagt, die die Faser vom eigentlichen Blattgewebe trennten. Danach bündelte man die Fasern und weichte sie in klarem Wasser ein, so dass sie weiß wurden; anschließend ließ man sie in der Sonne trocknen und kämmte sie.
» Dann werden die Einnahmen in die Höhe gehen, und ich kann weiteres Land bepflanzen«, erklärte er fröhlich. » Nur allzu viel Regen kann ich dann nicht gebrauchen, die Sisalpflanze muss guten Boden haben und viel Sonne.«
Charlotte ritt schweigend neben ihm her, hörte sich an, was er voller Begeisterung erzählte, und ihr fiel auf, dass er stets » meine Pflanzen«, » meine Arbeiter«, » meine Plantage« sagte.
» Ich könnte dir helfen, die Preise auszuhandeln«, bemerkte sie. » Darin bin ich gut.«
Er blinzelte sie belustigt an und wollte schon eine Bemerkung machen; als er jedoch erkannte, dass es ihr Ernst damit war, schluckte er den Satz hinunter.
» Das weiß ich inzwischen, mein Schatz.«
Er hatte in Daressalam neben ihr gesessen, als sie die Waren und die Einrichtung des Ladens verkaufte, und keine Miene gemacht, sich in ihre Verhandlungen einzumischen. Später hatte er grinsend behauptet, sie habe die armen Leute allesamt übers Ohr gehauen, und das auf so bezaubernde Weise, dass keiner außer ihm etwas davon bemerkt habe. Nach wirklicher Anerkennung klang dieses Lob in ihren Ohren nicht– offenbar hatte er sich über ihre Bemühungen amüsiert.
Er war der geborene Anführer. Max von Roden hatte jedes einzelne Mitglied der kleinen Karawane im Auge, trieb die Leute an, wenn sie langsamer zu werden drohten, konnte zornig aus der Haut fahren, sobald ihm jemand nicht zu Willen war. Versperrte ein reißender Bach, ein umgestürzter Baum oder ein Steinschlag den Weg, ließ sich bwana Roden zu gotteslästerlichen Flüchen hinreißen, doch er war klug genug, den Rat der Eingeborenen einzuholen, bevor er entschied, wie sie das Hindernis überwinden würden. Als sie auf das erste Dorf trafen und der jumbe die üblichen Geschenke verlangte, stellte sie fest, dass der Herr von Roden geizig sein konnte und lange um den Durchgangszoll stritt. Dafür zeigte er sich beim Kauf und Tausch der Lebensmittel umso großzügiger und gab den Schwarzen dafür mehr, als die Sachen an der Küste kosteten. Vermutlich hatte er feste Grundsätze, er hasste Zölle, fand aber, dass es anständig war, frische Eier, Kochbananen oder zarte Maiskolben gut zu bezahlen. Am Lagerplatz ließ er stets zwei getrennte Zelte für sie aufbauen und erzählte seinen Angestellten und den Trägern scherzhaft, seine bibi brauche ihr eigenes Zelt, in das er nur mit ihrer Erlaubnis hineingehen dürfe. Das sei in uleia so üblich. Das Abendessen nahmen sie auf dem Boden sitzend ein, hielten die Schüsseln in der Hand und unterhielten sich, während sie Reis, Bohnen, Eier und gewürzte Soße verzehrten, die der indische Koch zubereitet hatte. Max achtete streng darauf, einen kleinen Abstand zwischen sich und Charlotte zu lassen, doch es geschah immer häufiger, dass ihr Gespräch versiegte und beide schweigend vor sich hin sahen. Fast alle Träger hatten eine Frau mit auf die Reise genommen, einige sogar zwei, die sie abwechselnd aufsuchten, und weder die leisen Gesänge der Diener noch das Schnarchen einiger Schläfer konnten gewisse zufriedene Laute übertönen. Seltsam, dachte Charlotte errötend, sonst ist mir das nie aufgefallen, jetzt aber höre ich nichts anderes…
» Wir werden morgen zu den Pare-Bergen kommen«, bemerkte Max und räusperte sich. » Dort biegen wir nach Norden ab, dann brauchen wir den Mkomasi nicht zu überqueren und vermeiden außerdem das Zusammentreffen mit einigen Massai-Stämmen.«
Sie löste ihr Haar, um den Zopf neu zu flechten, und spürte, wie er jede ihrer Bewegungen mit den Augen verschlang. Eine Fledermaus glitt lautlos an ihnen vorüber, segelte auf ihren zarten Hautflügeln zielsicher durch die Dunkelheit. Ab und zu glomm ein winziges Lichtlein auf, taumelte hierhin und dorthin, bis es wieder erlosch. Ein Glühwürmchen.
» Das ist sicher besser so.«
Sie hatte bisher noch nie den Versuch gemacht, einen Mann zu
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