Himmel über dem Kilimandscharo
es nicht, denn nun hatte sie die Muße, sich umzuschauen, und sie entdeckte unzählige Dinge, die sie entzückten. Weiße Blüten wie große Sterne leuchteten zwischen dem dunkelgrünen Bewuchs der Felsen, zarte, blaue Glockenblumen verbargen sich im Gras, violette Distelgewächse reckten ihre Köpfe in die Höhe. Scharen bunter Schmetterlinge taumelten zwischen den Blumen umher, es roch nach dem harzigen Duft der Bäume und der Süße blühender Pflanzen. Manchmal erkannte sie die Fußabdrücke großer Tiere im feuchten Erdreich, ganz sicher gab es hier Büffel, vielleicht auch Leoparden, doch die lärmende Karawane verscheuchte jedes wilde Tier schon aus weiter Ferne. Nur die kleinen, grauen Affen keckerten und schimpften, und gelegentlich flatterte ein Vogel auf, um sich einen höheren Platz im Geäst zu suchen.
An diesem Abend schlugen sie das Lager nahe einem Gebirgsbach auf, dessen Wasser eiskalt und reißend talwärts strömte. Steiler, hellgrauer Fels erhob sich zu beiden Seiten des Bachlaufs, nur an manchen Stellen von Grün überwuchert. Ein Rauschen war aus der Ferne zu hören, das weder vom Wind noch von dem rasch fließenden Gewässer stammen konnte.
Max überwachte sorgfältig, dass seine Maschinen sicher und trocken verwahrt wurden, dann wandte er sich Charlotte zu, die gemeinsam mit Schammi Feldbett und Koffer in das gerade aufgebaute Zelt trug.
» Lass das die Schwarzen tun«, sagte er unzufrieden. » Es ist nicht gut, wenn die weiße bibi Roden selber die Koffer schleppt.«
Sie begriff das nicht. Bisher hatte sie sich nie gescheut, selbst Hand anzulegen– er tat das schließlich auch.
» Es ist eine Frage des Ansehens. Die Schwarzen leiten den Rang einer Person gern von solchen Kleinigkeiten ab. Wenn du das Spiel nicht mitmachst, werden sie zuerst verunsichert sein und dann frech werden.«
» Ich verstehe«, erwiderte sie schmunzelnd. » Du stehst übrigens in meinem Zelt, bwana Roden, dabei hast du gar nicht meine Erlaubnis dazu eingeholt. Das ist in uleia nicht üblich, nicht wahr?«
Seine hellen Augen blitzten, doch er blieb ernst. » Nein, das ist in Europa nicht üblich«, bestätigte er dann.
» Du wolltest mir den Wasserfall zeigen«, fuhr sie fort. » Er kann nicht weit sein, man hört ihn schon rauschen.«
» Wollte ich das?«
» Vorgestern Abend schon…«
Sie gingen allein, stapften durch hohe Gräser und sprangen über loses Felsgestein. Einen Pfad gab es nicht, sie mussten sich den Weg selbst bahnen, wozu Max sein langes, geschwungenes Buschmesser zu Hilfe nahm. Wenn es allzu schwierig wurde, blieb er stehen, um ihr zu helfen, dann fühlte sie den festen Druck seiner Hand. Auf ihre Bemerkung, dass es lästig sei, mit einem langen Kleid durch die Wildnis zu laufen, erwiderte er nichts.
Das Geräusch des herabstürzenden Wassers wurde stärker, bis nach einer Talbiegung endlich der Blick auf das wunderbare Naturschauspiel frei wurde. Aus großer Höhe schoss das Wasser den Berg hinab, traf schäumend auf Felsgestein, zerteilte sich in schmale und breite Bänder, bildete immer neue Kaskaden und verschwand dann hinter Bäumen und Buschwerk.
» Willst du näher heran?«
» Natürlich! O mein Gott– es ist traumhaft schön!«
Sie lief jetzt so rasch voran, die Röcke gerafft, dass er Mühe hatte, ihr zu folgen. » Sei vorsichtig! So warte doch! Charlotte!«
Er musste schreien, um das Tosen des Wassers zu übertönen. Endlich hatte er sie eingeholt und hielt sie atemlos fest, dann schlug er mit dem Buschmesser das dichte Gebüsch zur Seite. Von Gischtnebeln umwölkt, stürzte hier der Wasserfall in ein felsiges Becken, das Licht der Abendsonne brach sich auf Milliarden winziger Tröpfchen zu einem zitternden, vielfarbigen Regenbogen.
Sie waren beide völlig außer Atem, und Charlotte meinte, seinen raschen Herzschlag zu spüren. Oder war es ihr eigener?
» Gott strafe mich!«, rief er ihr ins Ohr. » Aber ich kann nicht länger warten.«
Er riss sie an sich, überfiel sie mit einer Flut verzweifelter Liebkosungen, wusste kaum, wo er seine Hände lassen sollte, und war drauf und dran, ihr das Kleid vom Leib zu reißen. Zuletzt hob er sie auf die Arme und trug sie ein gutes Stück durch hohes Gras und Gebüsch; erst als sie kurz vor dem Lagerplatz waren, stellte er sie wieder auf die Füße.
» Es ist in uleia üblich, um Erlaubnis zu fragen«, raunte er ihr zu. » Wirst du mir dein Zelt öffnen, wenn ich dich darum bitte?«
» Versuche es, bwana Roden.«
Er kam nach
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