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Himmel über London

Himmel über London

Titel: Himmel über London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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derartigen Auftrag auf der Stelle erledigen konnten.
    Danach war es an der Zeit, sich vor dem Essen eine Stunde im Hotel auszuruhen, er nahm an, dass seine Schwester für das Abendessen bereits Pläne gemacht hatte. Vielleicht seine Mutter auch, aber Leonard ganz gewiss nicht. Der große Abend war morgen, es gab keinen Grund, den Ereignissen vorzugreifen.
    So weit in seiner rudimentären Planung gediehen, kollidierte er genau in dem Moment, als er an St.Martin-in-the-Fields vorbeikam und der Leicester Square in sein Blickfeld kam, mit einer langbeinigen Frau, wodurch die Dinge einen anderen Lauf nahmen.

18

Leonard Das gelbe Notizbuch
    D och nach einer Weile überfiel unsere Hände eine Art Ratlosigkeit, ich kann mich noch mit trauriger Deutlichkeit daran erinnern. Wir ließen einander los, wir zündeten uns eine Zigarette an, und die Erotik des Schweigens zerplatzte.
    »Wo hast du die Aktentasche?«
    »An einem sicheren Ort.«
    Sie nickte, irgendwie anklagend und doch wieder nicht. Nahm einen Zug, überlegte ein paar Sekunden lang.
    »Auch gut. Es tut mir leid, dass ich dich da hineingezogen habe. Aber es war eine Situation entstanden, in der ich schnell eine Lösung finden musste.«
    »Ich verstehe«, sagte ich.
    Was ich ganz und gar nicht tat. Aber ich hatte keine Lust, irgendwelchen Erklärungen hinterherzujagen. Sie um das eine oder andere zu bitten; es war ihre Sache, inwieweit sie mir ihr Vertrauen schenken wollte. Zu entscheiden, auf welchem Niveau es angemessen war, inwieweit sie mir vertrauen wollte. Ich wusste ja nicht, hatte keine Ahnung, inwieweit sie meine Hilfe noch weiterhin benötigte oder ob es nur darum ging, die Aktentasche in die richtigen Hände zu befördern. Mein Unwissen darüber, worum es sich eigentlich drehte, war immer noch absolut. Es vergingen weitere Schweigeminuten, während sie möglicherweise die Lage beurteilte, dann beugte sie sich über den Tisch und betrachtete mich mit einem blinzelnden, leicht schielenden Blick. Ja, das war eine Musterung, ein entscheidender Augenblick, daran bestand kein Zweifel.
    »Du kannst mir vertrauen«, sagte ich, »auch weiterhin.«
    Sie nickte. Zog wieder an ihrer Zigarette und blies den Rauch in einem dünnen, nachdenklichen blauen Streifen aus; es ruhte sowieso eine Bläue über dem Raum, in dem wir saßen, sie wurde mir erst jetzt bewusst, durch diesen Rauchstreifen, ein Farbton, der die Spiegelung irgendeines Lichts draußen auf der Gasse sein musste, aber heute, viele Jahre später, nachdem dieses einleitende Kapitel schon lange vorüber ist, war es genau dieses bläuliche Bild, das mir in Erinnerung blieb, natürlich eines von vielen Bildern, aber es schien, als hätte dieser Blauton selbst etwas über die Geschichte zu berichten, über das, wovon alles handelte und handeln wird. Blues, eine Vorahnung, gefühlsmäßig begründet, oder ein verdichtetes Temperament, durch das alles betrachtet werden muss, um voll und ganz verstanden zu werden und sein richtiges Gewicht und seine Bedeutung zu erhalten. Nein, ich sehe ein, es lässt sich nicht beschreiben. Ich sitze in einem Café in Berlin und versuche Worte zu finden, und es gelingt mir nicht.
    »Ich befinde mich in Gefahr«, sagte sie. »Man überwacht mich. Natürlich nicht offen, aber ich weiß trotzdem, dass es so ist.«
    Ich erwiderte nichts.
    »Es gibt eine kleine Gruppe von Personen, denen ich vertrauen kann, aber auch sie befinden sich in schwierigen Positionen. Ihre Existenz wie auch meine hängt an einem seidenen Faden. Deshalb …«
    Sie brach ab. Ich dachte, dass ihre Sprache sehr genau war, auch wenn ihr Akzent jetzt deutlicher als zuvor zu hören war. Außerdem war offensichtlich, dass sie ihre Worte äußerst sorgfältig wählte; sie war bereit, mir gewisse Informationen zu geben, aber nicht mehr als notwendig, natürlich aus Sicherheitsgründen, aber auch – wie ich mir einbildete – aus Rücksicht. Je weniger ich wusste, umso besser, auch diesen Aspekt schnitt sie an, während wir in diesem Zimmer in Broad Court saßen, wenn auch nicht explizit, so doch zumindest indirekt.
    »Die Dinge haben sich seit dem Einundzwanzigsten verändert«, sagte sie. »Quellen sind verschwunden, andere haben ihr Mäntelchen nach dem Wind gehängt. Das hat meine Arbeit ungemein kompliziert gemacht. Am liebsten würde ich untertauchen oder nach Prag zurückkehren, aber das ist nicht möglich. Aus bestimmten Gründen, ich möchte nicht näher darauf eingehen. Auch auf persönlicher Ebene ist die

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