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Himmel über London

Himmel über London

Titel: Himmel über London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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und Gedanken oder sinnlose Phrasen über was auch immer mit ihr auszutauschen. Absolut nicht, ich wusste bereits damals, dass das so ein Augenblick in meinem Leben war, den ich niemals vergessen würde. Genau wie der blaue Rauch im Covent Garden.
    Sie sind schwer zu fassen, diese Momente. Als säße man im Auge des Sturms, und man begreift, dass es die Zeit selbst ist, die den Sturm ausmacht. Die Minuten, Tage und Jahre, das Vergangene und das Kommende, alles bis auf den Augenblick selbst. Das Auge des Sturms.
    Die Lösung ist, dass es das Kommando übernimmt, das Auge des Sturms, meine ich, und sich zu vollständiger Gegenwart entwickelt, doch so war es noch nicht. Wir saßen weiterhin in einem Café in Ealing. Humperdinck oder irgendein anderer Mittelklasse-Don-Juan lallte weiterhin melodiös und mittelmäßig im Hintergrund, und wir trugen beide unsere nasse Kleidung am Leib.
    Und da war so einiges, worüber wir reden mussten.
    »Ich hatte keine Ahnung«, wiederholte sie. »Wieweit hast du ihn gesehen?«
    »Den Mörder?«
    »Ja.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Fast gar nicht. Es hat geregnet. Sie trugen Regenschirme.«
    »Du würdest ihn nicht identifizieren können?«
    »Nein.«
    »Aber du hast gesehen, wie er den anderen getötet hat?«
    »Ja, natürlich. Er hat ihn niedergestochen. Es muss mit einem Messer passiert sein. Nun, das stand ja auch in den Zeitungen.«
    »Hat er etwas bekommen? Hat irgendeine Art von Übergabe stattgefunden?«
    »Er hat ein dickes Paket bekommen.«
    »Wohin ist er gegangen?«
    »Ich weiß es nicht. Er ist aus dem Park verschwunden.«
    »Du bist bei Istvan geblieben?«
    Ich registrierte, wie sie es bereute. Dass sie den Namen erwähnt hatte. Der hatte in keiner Zeitung gestanden.
    »Ich, ich bin dort geblieben. Aber nur ganz kurz. Ich dachte …«
    »Was dachtest du?«
    »Ich dachte, es wäre dumm, darin verwickelt zu werden.«
    »Gut. Das hast du richtig eingeschätzt.«
    »Danke.«
    Sie warf mir einen verwunderten Blick zu. Verwunderung darüber, dass ich mich bedankte. Mir kam in den Sinn, dass sie wohl genauso unsicher über meine Rolle war wie ich selbst. Dass auch sie ein Spiel mit äußerst unberechenbaren Figuren und Regeln spielte.
    »Eines möchte ich wissen«, sagte ich.
    »Ich auch«, sagte sie, »ich zuerst, es ist wichtig.«
    »All right.«
    »Hat er dich gesehen?«
    »Du meinst, ob der Mörder mich gesehen hat?«
    »Ja.« Ich überlegte. Zuckte mit den Schultern.
    »Nun?«
    »Ich weiß es nicht. Ich glaube nicht, aber es wäre möglich.«
    »Erklär mir das.«
    »Er hat einen Blick über die Schulter geworfen, nachdem er … Istvan erstochen hatte. Es ist klar, er muss mich gesehen haben. Ich stand ja nur zwanzig Meter entfernt, vielleicht dreißig.«
    »Nur ein Blick über die Schulter?«
    »Ja.«
    »Aber nicht so, dass er dich wiedererkennen könnte?«
    Wieder überlegte ich. »Nein. Ich bin mir nicht einmal sicher, dass er registriert hat, dass dort jemand war.«
    »Wieso glaubst du das?«
    »Seine Reaktion. Er ließ einfach seinen Blick nur so schweifen. Eine halbe Sekunde lang. Dann verließ er den Park.«
    »Und es befanden sich keine anderen Menschen in der Nähe?«
    »Nein.«
    Sie machte eine Pause, trank einen Schluck Tee.
    »Dir ist klar, dass das wichtig ist?«
    »Was?«
    »Dass er dich nicht identifizieren kann.«
    »Warum ist das so wichtig?«
    »Weil du Zeuge eines Mordes warst.«
    Eine Weile saß ich schweigend da und ließ diese Tatsache auf mich wirken.
    »Nun gut«, sagte Carla. »Lass uns davon ausgehen, dass du Recht hast. Dass er dich nicht wiedererkennen wird.«
    »Ja«, stimmte ich zu. »Lass uns davon ausgehen.«
    Sie räusperte sich. »Was wolltest du fragen, was so wichtig war?«
    Unruhe in ihrer Stimme. Und da war etwas in ihrem Blick. Ein Zögern, die Suche nach einem Fokus.
    »Das ist doch eigentlich ziemlich klar.«
    »Ja?«
    »Ich will wissen, auf welcher Seite du stehst.«
    Sie nickte und zog an ihrer Zigarette. Ich dachte, dass es praktisch ist, Raucher zu sein, wenn man etwas Zeit gewinnen will. Auch wenn es sich nur um eine Sekunde handelt. Ja, ich konnte diese Gedanken denken, manchmal kommen sie ganz schnell.
    »Ein gewisses Maß an Geheimhaltung kann ich akzeptieren«, fügte ich hinzu. »Aber ich möchte gern wissen, in wessen Auftrag ich handle.«
    »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Vertraust du mir nicht?«
    Ich gab keine Antwort.
    »Du glaubst doch wohl nicht, dass mir diese fremden Panzer in den Straßen meiner

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