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Himmel über London

Himmel über London

Titel: Himmel über London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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Mitteilungen –, die ich mit Hilfe des Schlüssels, den ich von Carla bekommen hatte, herausfinden konnte? Und mit Hilfe des vierten Bandes von Leibniz’ gesammelten Werken?
    Gab es einen Auftrag, der erledigt werden sollte?
    Was erwartete Carla von mir?
    Als ich in meinen Überlegungen so weit gekommen war, knarrte die Wendeltreppe hinter meinem Rücken. Ich drehte mich um und erblickte Joshua B. Levines hochrotes Gesicht direkt über dem Fußboden. Er atmete schwer, und ich begriff, dass es ihm große Mühe machte, sich in das erste Stockwerk des Antiquariats hinaufzubegeben.
    Deshalb blieb er auch auf der Treppenstufe stehen, die er erreicht hatte, winkte mit einem weißen Umschlag, den er in der Hand hielt, und räusperte sich.
    »Da ist auch noch ein kleines Rezept. Stecken Sie es ein.«
    Er warf den Brief über den Fußboden in meine Richtung und verschwand. Der Brief wurde von meinem rechten Fuß gestoppt. Ich hob ihn auf, zog die Lasche heraus und holte so ein Blatt von einem karierten Collegeblock hervor wie beim letzten Mal. Handgeschriebene Ziffern zwischen 1 und 26 standen auf der gesamten ersten und der halben Rückseite, und genau wie beim letzten Mal waren sie mit kurzen Gedankenstrichen verbunden.
    Ich seufzte, holte den Leibniz und machte mich an die Arbeit.
    Es dauerte eine Weile. Das System war etwas anspruchsvoller als beim letzten Mal, doch als ich es durchschaut hatte, bereitete es keine direkten Schwierigkeiten mehr. Die Nachricht lautete:
    fünfachtzweiunddreißig muss beschattet werden kontakt wird im holland park aufgenommen eingang am duchess of bedfords walk samstag der fünfzehnte dreizehnnullnull folge ihnen achte darauf wohin sie gehen was sie tun fotografiere wenn du es kannst ohne dich zu verraten ich wiederhole du darfst dich unter keinen umständen verraten c
    Ich holte die Fotos mit den Seriennummern 5, 8 und 32 heraus. Tatsächlich handelte es sich um dieselbe Person, einen Mann mit langgezogenem Pferdegesicht und tiefliegenden Augen. Dunkles, schütteres Haar, auf allen drei Fotos trug er dieselbe Kleidung, ein weit aufgeknöpftes Hemd, dunkle Jacke. Auf einem der Fotos gab es die Andeutung eines Lächelns, auf den anderen beiden sah er sehr ernst, fast besorgt aus. Ich dachte, er könnte ein wenig an den Mann erinnern, der die Aktentasche bei dem Konzert in St. Martin-in-the-Fields hatte stehen lassen, aber bald war ich überzeugt davon, dass es sich nicht um dieselbe Person handelte. Es war vor allem das Haar, das anders war, der Mann in der Kirche hatte deutlich kräftigeren Haarwuchs gezeigt – wenn man davon ausging, dass er keine Perücke trug. Alles war möglich in diesen Kreisen, das begriff ich so langsam, auch wenn ich mir absolut noch nicht im Klaren darüber war, um welche Art von Kreisen es sich eigentlich handelte.
    Ich stellte Leibniz wieder in sein Regal, sammelte die Fotos zusammen und stopfte sie mit meinen Papieren in die alte Stofftasche der RAF, die ich vor einem halben Jahr spontan in der Portobello Road gekauft hatte – speziell angefertigt für Depeschen, die Sicherheit des Imperiums betreffend , wie ein routinierter, rotweinbefleckter Verkäufer behände behauptet hatte, deshalb der Preis –, und verließ das Antiquariat. Als ich auf die Hogarth Road hinaustrat, kam mir in den Sinn, dass es garantiert nicht besonders professionell war, alles zusammen zu transportieren: die chiffrierte Nachricht, die entzifferte Nachricht und einen Teil des Chiffreschlüssels an derselben Stelle – Spezialdesign in allen Ehren –, doch ich legte den Weg zur Coleherne Mews trotz allem zurück, ohne von irgendeinem fremden Geheimdienst überfallen zu werden. Wohlbehalten zu Hause angekommen, ließ ich das Rollo in der Küche herunter, verbrannte Carlas Instruktionen im Aschenbecher und dachte, dass ich genau genommen jemandem ähnelte, der die Dinge so langsam ernst nahm.
    Oder der auf dem besten Wege war, die Kontrolle zu verlieren.
    Zwei Tage später befand ich mich im Regen vor dem Holland Park. Ich hatte auf dem Bürgersteig Ecke Holland Walk und Duchess of Bedfords Walk mit einem scheinbar platten Fahrrad Stellung bezogen, und während ich so tat, als wäre ich mit dem Hinterreifen beschäftigt, hatte ich den Blick frei auf den Parkeingang auf der anderen Straßenseite. Ich ging davon aus, dass das Pferdegesicht und sein Kontakt von draußen zu ihrem Treffpunkt gehen würden, und einige Minuten nach eins wurde meine Annahme bestätigt, als zwei Gentlemen mit

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