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Himmel über London

Himmel über London

Titel: Himmel über London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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in die Richtung, in die der Angreifer gelaufen war, und wusste nicht, was er sagen sollte. »Mit dem … Mann da?«, brachte er heraus. »Du willst doch nicht sagen, dass …?«
    Leya nickte und schaute zu Boden.
    »Doch. Leider.«
    Milos versuchte die Information zu verdauen, doch es fiel ihm schwer. Es ging einfach nicht. Dass Leya, diese wunderbare, warme, goldene Leya mit so einem zusammen gewesen sein sollte, einem … ja, einem Verrückten, wie gesagt, das erschien ganz einfach undenkbar. Warum um alles in der Welt?
    »Aber, warum um alles in der Welt?«, fragte er, als er sich so weit gefasst hatte, dass er wieder verständliche Sätze formulieren konnte. Sie waren erneut auf die Steinbank gesunken. Leya saß schräg und hielt immer noch das Papiertaschentuch an seine Schläfe gedrückt. »Er schien ja nicht ganz bei Sinnen zu sein«, präzisierte Milos. »Du hast … du hast wirklich etwas Besseres verdient, Leya.«
    Zu seiner Überraschung fing sie an zu weinen. Er übernahm das Taschentuchdrücken, so dass sie ein weiteres Taschentuch aus ihrer Handtasche holen konnte. Sie wischte sich die Tränen ab und putzte sich die Nase. Es vergingen eine halbe oder eine ganze Minute, er registrierte, dass es aufgehört haben musste, zu bluten, er drückte aber sicherheitshalber noch eine Weile auf die Wunde.
    »Es tut mir so leid, Milos«, wiederholte sie. »Ich versichere dir, dass ich keine Ahnung davon hatte, dass er in der Stadt ist. Er arbeitet für eine Bank in Edinburgh. Ich habe wirklich geglaubt, dass ich ihn eine ganze Weile nicht mehr sehen würde. So ein Mist!«
    »Ich verstehe das nicht, Leya. Ich verstehe das wirklich nicht.«
    Sie seufzte. »Anfangs war er nicht so. Natürlich nicht, sonst wäre ich ja nie mit ihm zusammengekommen. Erst als wir schon ein paar Jahre zusammenwohnten, da habe ich begriffen, dass … ja, dass etwas mit ihm nicht stimmt, so kann man das wohl sagen.«
    »Etwas nicht stimmt?«
    »Ich weiß nicht, wie man es ausdrücken soll. Und ich weiß nicht, was eigentlich der Grund dafür ist, aber Richard ist zweifellos der eifersüchtigste Mensch, dem ich jemals begegnet bin. Jetzt im Nachhinein verstehe ich nicht, wie er es geschafft hat, das am Anfang so zu verbergen.«
    »Wann habt ihr euch getrennt? Im Frühling hast du doch gesagt, oder?«
    Sie nickte. »Er ist zu Ostern ausgezogen. Es war … ja, es war wirklich nicht so leicht, Milos. Aber ich hatte gute Freunde, die mir geholfen haben, und bei der Bank haben sie mich auch unterstützt.«
    »Ihr habt bei derselben Bank gearbeitet?«
    »Ja. Da haben wir uns ja auch kennen gelernt. Bei einer Betriebsfeier, du musst zugeben, es klingt reichlich banal.«
    »Schon möglich. Aber ich weiß nicht …«
    »Auf jeden Fall ist Richard in eine Filiale in Edinburgh versetzt worden. Das hat mein Chef geregelt, ja, ich habe wirklich jede Unterstützung bekommen.«
    Milos dachte nach. »Warum brauchtest du denn so viel Unterstützung? War er …? Ich meine, war er dir gegenüber jemals gewalttätig?«
    Leya nahm seine freie Hand, die nicht mit dem Papiertaschentuch beschäftigt war, und hielt sie eine Weile zwischen ihren. Milos spürte, wie sein Herz langsam immer heftiger schlug, und plötzlich erinnerte er sich daran, wie sie vor zehn Jahren schon einmal auf einer Bank gesessen hatten – kurz bevor Leya New York verlassen sollte, es war unten im Battery Park an der Südspitze von Manhattan gewesen, und sie hatte seine Hand genau so gehalten damals. Es war abends gewesen, Sonnenuntergang hinter der Freiheitsstatue, und sie hatten schweigend beieinandergesessen, traurig, weil sie sich trennen mussten. Aber sie hatten einander keinerlei Versprechen gegeben, da sie wussten, dass es doch nicht möglich wäre, es einzuhalten. Ihr Leben würde statt in einer gemeinsamen in getrennten Bahnen verlaufen, und sie hatten sich in gewisser Weise ihrem Schicksal gebeugt.
    Ja, sowohl er als auch Leya hatten das Unvermeidliche akzeptiert, doch jetzt, jetzt hatten sie plötzlich das Gefühl, als ob alles – ihr zögerliches, doch schönes Zusammensein ein Jahr lang, ihre traurige Trennung und ihr unerwartetes Wiedersehen in einem anderen Teil der Welt – bereits im Großen Buch des Lebens verzeichnet gewesen war. Das wäre ihre Art, sich auszudrücken, gewesen, nicht seine, eher asiatisch, sie hatte da so einiges in ihrem Gepäck vorzuweisen. Drei Hände, die sich erneut ineinanderfügten, auf einer anderen Bank in einem anderen Teil der Welt. Zehn Jahre

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