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Himmel über London

Himmel über London

Titel: Himmel über London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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vermeiden, dass andere Vorkehrungen getroffen werden müssten.«
    »Andere Vorkehrungen?«
    »Ja.«
    Milos dachte eine Weile nach.
    »Glaubst du, er überwacht dich?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Nein, ich glaube es eigentlich nicht. Es sah doch eigentlich so aus, als ob er zufällig aufgetaucht ist, als wir da saßen, oder?«
    »Ja, es schien so«, sagte Milos. »Hast du … ich meine, hast du Angst, dass er etwas anstellen wird?«
    Leya betrachtete ihn mit ernster Miene, bevor sie antwortete.
    »Ich bin wohl nicht diejenige, die Angst davor haben sollte, Milos. Wie gesagt, es tut mir leid.«
    Sie trennten sich eine halbe Stunde später an der Kreuzung Tottenham Court Road/Charing Cross Road.
    Doch nur für ein paar Stunden. Leya musste einiges erledigen, Milos nahm die U-Bahn zurück zum Hotel für eine Dusche und ein kurzes Nickerchen. Der Jetlag machte ihm immer noch ein wenig zu schaffen. Um acht Uhr wollten sie sich an der Notting Hill Gate treffen. In einem Restaurant in der Nähe essen gehen. Und dann würde man sehen.
    Etwas geschieht mit uns gerade, dachte Milos, während er in dem überfüllten U-Bahn-Waggon stand und versuchte, sich in der Nähe der Türen zu halten, damit er nicht bis Knightsbridge im Wagen bleiben musste. Es war zu früh, um zu sagen, was genau es war, doch dass sein Herz in seiner Brust auf Habacht stand – um einen alten Ausdruck aus Bratislava zu benutzen –, daran herrschte kein Zweifel.
    Und das mit diesem Richard Wie-immer-er-auch-heißen-mochte, ja, das versuchte er so weit wegzuschieben, wie es nur ging. Er betastete die winzige Wunde an seiner Schläfe und stellte fest, dass diese Londonreise bis jetzt mehr zu bieten hatte, als er zu träumen gewagt hatte. Unerhört viel mehr, und immer noch wusste er nicht einmal, wo die Geburtstagsfeier am folgenden Tag vom Stapel laufen sollte. Die doch der Grund an sich war, dass er sich überhaupt hier befand. Sein Gönner?
    Merkwürdig, wie schon gesagt. Doch ein Ereignis zieht das andere nach sich, wie der Magnet Eisenspäne oder eine läufige Hündin die Rüden, das gilt im Osten wie im Westen.

26

Gregorius & Irina
    D ie Frau, mit der Gregorius zusammenstieß, hieß Paula McKinley, und der Grund, dass sie zusammenstießen, bestand darin, dass sie von Herzen weinte und aufgrund der Tränen kaum noch etwas erkennen konnte.
    Der Grund für ihre Tränen war wiederum ein Telefongespräch mit Mrs. Delaney in der Barry Road in ihrer Geburtsstadt Dublin, bei dem sie erfahren hatte, dass ihre Mutter einen Verkehrsunfall erlitten hatte. Sie lag schwer verletzt auf der Intensivstation des Mater Misericordiae Hospitals. Zwischen Leben und Tod schwebend, nach allem zu urteilen; Mrs. Delaney hatte so haltlos geschluchzt während des Gesprächs, dass es unmöglich gewesen war, nähere Einzelheiten von ihr zu erfahren. Doch dass Paula sich umgehend heim auf die grüne Insel begeben musste, wenn sie ihre Mutter noch einmal in ihrem Leben sehen wollte, daran bestand kein Zweifel.
    Also hatte sie den Friseursalon Limelite & Parsley am Haymarket, in dem sie arbeitete, mitten während der Arbeit an einer nicht gänzlich unbekannten Fernsehberühmtheit verlassen, dem Besitzer, Mr. Hillary, die Situation erklärt und war in einem Zustand schockartiger Panik losgerannt.
    Aus irgendwelchen Gründen berichtete sie all das dem Fremden, mit dem sie vor St. Martin-in-the-Fields zusammengestoßen war, im Laufe einer Minute. Das Handy des Fremden war als Folge des Zusammenstoßes auf die Straße gefallen, er hatte es in der Hand gehabt und verloren, einfach so; jetzt bestand es aus mindestens sechs einzelnen Teilen statt einem zusammenhängenden, und vielleicht wollte sie sich ja – mitten in ihrer eigenen Verzweiflung – für ihre Tollpatschigkeit entschuldigen. Oder sie zumindest erklären.
    »Ich heiße Paula«, fügte sie hinzu. »Paula McKinley. Entschuldigen Sie, aber ich bin einfach total aufgewühlt deshalb. Meine arme Mutter.«
    »Paul«, sagte der Mann. »Paul F. Kerran. Man hat nur eine Mutter. Wie kann ich Ihnen helfen?«
    Paul and Paula?, dachte er. Es muss einen Grund dafür geben. Gab es nicht einen alten Song, der so hieß? Oder ein Sängerduo?
    Sie war jedenfalls schlank und groß gewachsen. Hatte üppiges rotes Haar und Augen, so grün wie ein Aquarium, besonders, wenn sie so tränenüberschwemmt waren wie jetzt. Knapp dreißig, schätzte er, und er konnte sich nicht daran erinnern, je eine Frau mit mehr Seele gesehen

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