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Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Titel: Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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theatralisch vor der Brust gekreuzten Händen seufzte er: »Ich verzehre mich voller Ungeduld nach ihr.« Nachdem er noch mehrere belegte Brote verschlungen hatte, stand Eberhard auf. »Na, dann woll’n wir mal. Komm, Papa, bevor du es dir wieder anders überlegst.«
    »Ich lasse dir den Einspänner anspannen«, rief Jesko Elvira beim Hinausgehen zu. »Und komm mir heil wieder nach Hause.«
    Sie warf ihm eine Kusshand zu. »Mich wirst du so schnell nicht wieder los.«
    Linderwies war ein großes Gut, dessen Ländereien direkt an die des Schlosses angrenzten. Birkenau mit seinen 10 000 Morgen Acker- und Weideland und ca. 800 Morgen Wald war schon ein recht großer Besitz, aber Linderwies war ungleich größer. Es umfasste 20 000 Morgen Land, davon 13 000 Morgen fruchtbaren Ackerboden, 5000 Morgen ertragreiche Flusswiesen und 2000 Morgen Wald. Eberhard verwaltete das Gut mit großem Einsatz und erzielte erkleckliche Gewinne. Er war mit Leib und Seele Landwirt.
    Als Elvira den Einspänner bestieg, sah sie die beiden Männer auf ihren Pferden in der Lindenallee verschwinden. Sie genoss die Fahrt durch die herrliche Landschaft. Die Sonne war angenehm warm, so dass sie schon nach einigen Minuten den Schal, den sie vorsichtshalber um ihre Schultern gelegt hatte, abstreifen konnte. Der Fahrtwind zerrte an ihrem Sommerhut, und so legte sie ihn neben sich, und ihr Haar flatterte im Wind. Etwas zerzaust und mit geröteten Wangen kam sie auf Wallerstein an. »Die Frau Gjräfin befindet sich im grünen Salon«, begrüßte sie der Diener. »Frau Rittmeister von Galze sind bei der gnädigen Frau und Frau Kommerzienrat …«
    »… Heller«, ergänzte Elvira den Satz. Wie konnte es auch anders sein! Louise von Galze, Wilhelmines jüngere Schwester, war vor einigen Jahren Witwe geworden und nach Königsberg gezogen, wo sie ein großes Haus führte. Sie war wohlproportioniert, aber neigte ebenfalls etwas zur Fülle, was sie mit aller Macht zu bekämpfen versuchte. Ihre noch vollen dunklen Haare waren mit weißen Strähnen durchzogen und zu einer kunstvollen Frisur aufgesteckt. Ihr feines Gesicht war immer noch schön, obwohl kleine Fältchen um die Augen und den schön geschwungenen Mund ihr Alter ahnen ließen. Die großen braunen Augen blickten meist spöttisch, und ihre spitze Zunge war gefürchtet. Vor allem von Wilhelmine.
    »Wie schön, dich mal wiederzusehen, Louise«, sagte Elvira erfreut. »Wie geht es dir in Königsberg, hast du dich gut eingelebt?«
    »Na ja, geht man so«, sagte sie sichtlich untertreibend, »aber dir scheint es ja blendend zu gehen. Du siehst fabelhaft aus.«
    »Sie ist ja auch verliebt«, warf Wilhelmine ein. »Stell dir das mal vor, in ihrem Alter!«
    »Nur kein Neid, meine Liebe.« Louise musterte ihre Schwester amüsiert. »Aber du hast mächtig zugelegt.« Sie deutete auf das dritte Stück Kuchen, das Wilhelmine gerade auf ihren Teller lud. »Das solltest du besser bleiben lassen.«
    Wilhelmine verschluckte sich, und ihr Gesicht lief rot an. »Jetzt erinnerst du mich an einen Hummer«, setzte Louise noch eins drauf. »Du solltest mal deinen Blutdruck kontrollieren lassen.«
    »Ich bin im Wechsel, liebste Schwester.« Wilhelmine kochte. »Aber soweit ich weiß, hast du das ja erstaunlicherweise schon hinter dir.«
    »Gott sei Dank«, lachte Louise, »aber im Ernst, vielleicht ist es ja auch nicht der Blutdruck, es könnte auch Verkalkung sein, du weißt, unser Vater, er war schließlich in deinem Alter, als er …«, sie machte eine nachdenkliche Pause. »So was soll ja vererbbar sein …«
    »Jetzt mach aber mal einen Punkt!« Wilhelmine schnappte empört nach Luft.
    »Ich meine ja nur, in deinem Alter kann das ganz schnell gehen«, legte Louise nach. Elvira lauschte amüsiert dem Gezanke der beiden so ungleichen Schwestern, während sich die Kommerzienrätin insgeheim empörte, wie diese Frau Rittmeister mit der von ihr so verehrten Gräfin umsprang.
    »Du weißt ja gar nicht, was ich alles am Hals habe«, versuchte Wilhelmine das Gespräch in eine andere Bahn zu lenken. »Horst ist ständig in Berlin, wir bekommen ihn kaum noch zu Gesicht, und das bei diesen ganzen Hochzeitsvorbereitungen. Ich bin schon völlig erledigt.«
    »Na, dann wirst du ja bald vom Fleisch fallen!« Louise konnte es einfach nicht lassen. »Schaden könnte es dir wirklich nicht.« Es war ihr unbegreiflich, wie ihre früher so schöne Schwester, die sie als Kind so bewundert hatte, sich dermaßen gehen lassen

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