Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)
Hochzeitswalzer zu spielen. Umringt von den Gästen, eröffnete die Braut mit ihrem Vater den Tanz, und nach ein paar Minuten war die Tanzfläche voll mit walzernden Paaren.
Eberhard drängte sich durch die Menge. »Darf ich dich ablösen, Schwiegerpapa?«, fragte er.
»Gern, mein Junge«, lächelte Horst. »Ich bin ja schon ganz außer Atem.« Baron Eyersfeld bemühte sich, mit Ursula seinen Pflichttanz zu absolvieren und war heilfroh, als er nach ein paar Minuten von Mathias Goelder abgelöst wurde. Erleichtert strebte er hinter Horst der Bibliothek zu. Noch waren die beiden allein. Horst schenkte zwei Gläser Port ein. »Prosit, mein Lieber«, sagte er und stieß mit seinem alten Freund an.
»Wohlsein, mein guter Wallerstein«, näselte der. »Hat ja eine fabelhafte Partie gemacht, deine schöne Tochter.«
»Nun, darauf war sie wirklich nicht angewiesen«, lächelte Horst. »Es ist etwas viel Besseres. Es scheint dir entgangen zu sein, dass das eine Liebesheirat ist. Du weißt, so etwas hat Seltenheitswert heutzutage.«
Von den beiden unbemerkt hatte Jesko von Kaulitz die Bibliothek betreten. »Also ich muss dir meinerseits recht geben, Fritz, vom züchterischen Standpunkt haben beide eine fabelhafte Partie gemacht. Die zukünftigen Kinder von zwei so schönen Menschen, reinrassig gräflich, da wird nix verwässert …« Es bereitete ihm ein ungeheures Vergnügen, seinen alten Freund Eyersfeld wegen seines Dünkels auf den Arm zu nehmen.
»Äh, du bist mir aber schon einer …«, murrte der Baron leicht vergrätzt. Umständlich putzte er sein Monokel mit einem riesigen weißen Taschentuch, in dem unübersehbar sein Monogramm mit einer siebenzackigen Krone eingestickt war, um es sofort wieder einzusetzen. Immer mehr der älteren Herren betraten, zum Teil völlig außer Atem und leicht schwitzend, die Bibliothek. Hofrat von Saalfeld, ein kleiner, untersetzter Mann Ende fünfzig, mit einem eisgrauen Spitzbart und lustigen Augen unter buschigen Augenbrauen, ließ sich schnaufend in einem der bequemen Sessel nieder. Er wischte sich die schweißnasse Stirn mit dem Taschentuch. »Mein Soll an Bewegung habe ich für heute erfüllt, alle Pflichttänze sind absolviert«, sagte er nach Luft ringend. »Jetzt brauche ich dringend einen großen Cognac.«
Kurt eilte sofort mit Likören, Portwein, Schnäpsen und Cognac herbei. Legationsrat Hartmann winkte ihn kurz zu sich heran und fragte leise: »Gibt es wohl etwas Bullrichsalz? Sie verstehen, mein Magen … mir ist ganz blümerant.«
Es dauerte eine Weile, bis sich alle ihre Zigarren angezündet hatten, man prostete sich zu und beglückwünschte die beiden Väter noch einmal zu der so glücklichen Verbindung. Aber es dauerte nicht lange, da war man wieder bei der Politik. Die Revolution war noch immer nicht vorbei, und das war das Thema, das die Gemüter am meisten erregte.
»Der junge Bismarck hat sich ja inzwischen ganz der Politik verschrieben«, sagte Graf Dühnkern. »Wie ich höre, ist er mit seiner Familie nach Berlin gezogen.«
»Was will er denn da?«, fragte Baron Eyersfeld. »Minister ist er letztes Jahr nicht geworden, soweit ich weiß, und in die Nationalversammlung hat man ihn auch nicht gewählt. Man munkelte, dass er dem König zu extrem war in seinen Ansichten. Vielleicht wäre er doch besser auf seinem Gut geblieben.«
»Nun, mein lieber Eyersfeld, dann dürfte Ihnen wohl entgangen sein, dass der König seine Meinung inzwischen geändert hat. Bismarck wurde kürzlich in die zweite Kammer des preußischen Parlaments gewählt.« Dühnkern war leicht verärgert. »Glauben Sie mir, von dem jungen Mann werden wir noch viel hören.«
»Ich war neulich zum Abendbrot bei unserem Finanzminister.« Hofrat von Saalfeld wechselte nun das Thema. »David Hansemann ist ein alter Freund von mir.«
»Und wie war es?«, fragte Kommerzienrat Heller.
»Meine Güte, wie soll es gewesen sein. Die Frau Minister tief, aber vergeblich ausgeschnitten.« Er gluckste vor Lachen. »Der Anblick erinnert mich immer an ihren Mann. Der hat auch ständig ein ungedecktes Defizit.« Nun brachen alle in brüllendes Gelächter aus.
Unbemerkt von der laut lachenden Gesellschaft war Elvira in die Bibliothek getreten. »Na, meine Herren, ihr habt es ja anscheinend sehr lustig hier«, sagte sie. »Aber es werden dringend Tänzer gebraucht.« Sie nahm ihren Mann am Arm. »Vor allem du darfst dich jetzt wirklich nicht länger drücken.« Im Hinausgehen sah sie mit Erleichterung, dass
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