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Himmel un Ääd (German Edition)

Himmel un Ääd (German Edition)

Titel: Himmel un Ääd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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weitverzweigtes Netz an Kontakten.
    Deshalb wunderte
es mich nicht, dass Helen Maibach einen Koch kannte, der im »All-inclusive«
arbeitete. André, so hieß der Kollege, hatte im Dom Hotel, in Antwerpen und
Amsterdam in der Küche gestanden und war nicht besonders glücklich mit seinem
Job im »All-inclusive«. Scheißarbeitsbedingungen, ein magerer Lohn und der Chef
ein kaltschnäuziger Leuteschinder, hatte er Helen bei einer zufälligen
Begegnung geklagt. Seither einte die zwei ihre Wut auf Eilert.
    Regelmäßig steckte
André Helen, was sich bei Eilert hinter den Kulissen tat. Deshalb wusste die
schwarze Witwe, dass der heute seinen fünfundfünfzigsten Geburtstag im
»All-inclusive« feierte und das Restaurant für Publikumsverkehr geschlossen
war. Wie es sich für einen erfolgreichen Geschäftsmann gehörte, hatte er
Weggefährten, Parteifreunde, Geschäftspartner und Verwandte zu einem Empfang
geladen. Eilert, so die Meinung von Helen, war ein eitler Gockel und sehr
erpicht darauf, »im Kreise seiner Lieben« gut dazustehen. André sollte mich
durch die Küche unter die Gästeschar schmuggeln. Das war ihr Plan.
    »Eine bessere
Gelegenheit, ihm eine Szene zu machen, gibt es nicht«, trichterte sie mir ein
und bedauerte, mich nicht begleiten zu können. Sie war im »All-inclusive«
mittlerweile bekannt wie ein bunter Hund und würde nach ihrem letzten Auftritt
von den Bodyguards oder wieder von Pfeifer vor die Tür gesetzt werden. »Lass
den auf keinen Fall in deine Nähe kommen«, warnte sie mich. »Denk an die
Spritze!«
    Als mich André
durch den Hintereingang in die Küche ließ, wünschte ich mir für den heutigen
Tag seine Statur und sein Aussehen. Er war ein schmaler, eher kleiner Mann und
mit einem Allerweltsgesicht ausgestattet, das man sofort wieder vergaß. Ich
dagegen mit meiner walkürenhaften Größe und diesen feuerroten Locken konnte
mich beim besten Willen nicht unsichtbar machen. Und das wäre ich am liebsten
gewesen. Um das Terrain zu sondieren und um einschätzen zu können, wer von den
Gästen Freund oder Feind war.
    An die hundert
Personen seien bestimmt da, informierte mich André. Im »La petite France«
herrsche reges Gedränge. Eilert begrüße gerade die Gäste. Einen besseren
Zeitpunkt, schnell aus der Küche nach draußen zu huschen und mich unters Volk
zu mischen, gebe es nicht.
    Ich zögerte noch,
aber was sollte schon passieren? Schlimmstenfalls ließ Eilert mich von
irgendwelchen Bodyguards vor die Tür setzen, bestenfalls erhielt ich Antworten
auf drängende Fragen. Ich holte tief Luft, trat durch eine Schwingtür hinaus in
die offene Küche, die ich von der anderen Seite kannte, weil ich bei meinem
ersten Besuch hier den Fisch bestellt hatte.
    Die Köche standen
untätig herum, und von den Gästen beachtete mich keiner, weil mir alle den
Rücken zukehrten. Ich versuchte vergebens, unter den Rücken Pfeifers breite
Schultern mit dem Tattoo am Hals auszumachen. Auch Brandts hagere Gestalt
entdeckte ich nirgends. Alle Blicke waren auf eine kleine, improvisierte Bühne
am Eingang zum Treppenhaus gerichtet, auf der Eilert stand und immer noch
redete. Ich nahm ein Glas Sekt vom Tablett eines Servierfräuleins und zwängte
mich in eine Lücke der letzten Reihe der Zuhörer.
    Die Zweiertische,
an denen bei meinem ersten Besuch die Verliebten geschnäbelt hatten, waren,
ebenso wie alle Stühle, weggeräumt, stattdessen hatte man überall mit üppigem
weißem Stoff ummantelte Stehtische platziert. Nur ein Pfeiler in der linken
Hälfte des Raumes, der als Pariser Litfaßsäule verkleidet war, bot die
Möglichkeit, sich zu verbergen. Im Gegensatz zu Helen Maibach hatte ich keine
Erfahrung mit provokanten öffentlichen Auftritten, vermutete aber, dass meine
Chancen, etwas zu erfahren, am größten waren, wenn ich Eilert überraschte.
    Der schloss seine
Rede mit der Aufforderung, endlich das Buffet zu stürmen, das auf der linken
Seite des Raumes aufgebaut war. Nach höflichem Beifall kam schnell Bewegung in
die Zuhörer. Ich schlängelte mich, immer Eilert im Blick behaltend, gegen den
Strom in Richtung Litfaßsäule. Eilert hatte die Bühne verlassen, schüttelte
Hände, klopfte Schultern, nahm Geschenke entgegen, lachte und schäkerte. Ich
hielt wieder nach Pfeifer Ausschau, entdeckte ihn aber weder in Eilerts
Entourage noch sonst wo im Raum. Scheinbar interessiert betrachtete ich das
Filmplakat von »Jules und Jim«, das an der Litfaßsäule klebte, und trank einen
Schluck Sekt.

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