Himmel un Ääd (German Edition)
vor die stetig wachsende
Schlössersammlung am Zaun der Brücke postiert, wo Tausende von Liebenden seit
einigen Jahren ein Schloss anbringen und den Schlüssel dazu in den Rhein
werfen.
Ecki hatte sich
darüber lustig gemacht. »Bei so viel Liebesschwür'n auf den Schultern ist's ein
Wunder, dass die Brück' noch steht, Kathi!« Ecki! Ach, Ecki!
Taschentücher fand
ich in der Küche, im Kühlschrank auch ein Bier, aber es schmeckte nicht.
Stattdessen überfiel mich ein gieriges Verlangen nach Zigaretten, am liebsten
hätte ich mich vollständig eingenebelt. Dabei hasste ich Zigaretten.
Wieso hatte ich
nichts bemerkt? Frauen merken doch immer, wenn ihre Männer sie betrügen. Wieso
ich nicht? Dabei war es doch direkt vor meiner Nase passiert. Unter meinen
Augen in der Küche der »Weißen Lilie«.
Hatten sie
sehnsüchtige Blicke getauscht, während ich mein Fleisch anbriet? Sich kleine
Zettelchen mit neckischen Liebesbotschaften zugeschoben, während ich
Bestelllisten schrieb? Im Dampf der Spülmaschine heimliche Berührungen gewagt,
während ich keine zwei Meter weiter den Herd sauber schrubbte? Es in der
Kühlung miteinander getrieben, während ich Small Talk mit den Gästen machte?
Ich wollte es mir nicht vorstellen, ich konnte es mir nicht vorstellen. Zu
ungeheuerlich.
Wie lange hatte
die Affäre gedauert? Einen Monat? Ein halbes Jahr? Ich versuchte mich zu
erinnern, ob es einen Wendepunkt in unserer Beziehung gegeben hatte, ab dem
alles anders oder zumindest ein bisschen anders geworden war. Ich fand nichts.
War Ecki ein so guter Schauspieler oder ich eine so lausige Beobachterin?
Die Küche, in der
wir so oft fröhlich gefrühstückt hatten, mutierte zu einem feindlichen Raum,
ich floh in mein Zimmer. Der süßlich schwere Duft der weißen Lilien schnürte
mir die Luft ab. Die Lilien, ein Geschenk von Ecki als Morgengabe für eine
Liebesnacht, nicht mal zwei Tage her. Ich riss sie aus der Vase, öffnete das
Fenster und warf sie in den Hinterhof. Der Duft blieb zurück, genau wie die
Bilder in meinem Kopf.
Wie Ecki von
hinten nach meinen Brüsten greift, mir seinen heißen Atem ins Ohr bläst, mir
zuflüstert, dass es das Größte sei, mit mir zu »mausen«, wie er es so gern auf
Österreichisch ausdrückte. Hatte er mit ihr auch so geschlafen? Am selben Tag
vielleicht? Nur ein paar Stunden zuvor? Ich rannte ins Bad und kotzte das Bier
aus.
Auch mein Zimmer
war jetzt vermintes Gelände, ich suchte im Wohnzimmer Asyl. Fernseher an,
Zappen durchs Nachtprogramm. Kabarett auf WDR ,
Boxen auf Eurosport, Talkshow im Ersten, Wichsvorlagensex auf den Privaten. Ich
sehnte mich nach Rieselbildern, dem Testbild von früher, einer Doku über die
Karpaten oder einem Kriegsfilm mit viel Haudrauf ohne Liebesgeschichte.
Wünsche, die das Fernsehen mir nicht erfüllte, keiner erfüllte mir irgendwelche
Wünsche.
Was war mit
Schlaf? Wenigstens für ein paar Stunden. Loslassen, abtauchen, süß schlummern,
aufwachen in der Hoffnung, dass dies alles ein furchtbarer Alptraum war. Nicht
dran zu denken.
In der
Verzweiflung ist der Schlaf kein Verbündeter. Er verweigert dir den Eintritt in
sein Reich, für ihn bist du eine Aussätzige, eine Kainsmalbefleckte ohne
Anspruch auf Erlösung. Ich wälzte mich auf dem Sofa hin und her, zerknüllte
Kissen, entwirrte die Decke, dann stieg ein Feuer in mir auf und bescherte mir
eine völlig unbekannte fiebrige Körperhitze. Zweimal wechselte ich das
schweißnasse T-Shirt, endlich ebbten die Wallungen ab.
Gegen fünf rief
ich Ecki an. Ich sprach mit der Mailbox. »Warum tust du mir das an? Warum tust
du mir das an?«, wiederholte ich so oft, bis ich nur noch ein Piepen hörte.
Irgendwann
rumpelte die erste Bahn über den Gotenring, frühes Morgenlicht schmerzte die
müden Augen, die Vögel im Hinterhof zwitscherten sich fröhlich in den neuen
Tag. Vergiften, abknallen, jeden Einzelnen.
Dann, völlig
erschöpft, wurde ich in ein Zwischenreich ohne Kontrolle über die Bilder, die
mich heimsuchten, hineingezogen: der Drachenfels im Nebel verborgen, Ecki und
ich, Arm in Arm, auf dem steilen Weg nach oben. Herbstlaub raschelt unter den
Füßen, welke Lindenblätter wehen wie Schneeflocken durch die Luft, am Himmel
lärmen Vogelschwärme und üben ihre Formation für den Weg in den Süden. Oben
angelangt, hat sich der Nebel verzogen. Alles ist licht und klar. Küsse
zwischen den kühlen Ruinen, davonlaufen und sich einfangen auf den schmalen
Wegen zwischen den Mauerresten, ganz oben sein
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