Himmel un Ääd (German Edition)
lagen, weil sie wegen des Hochwassers nicht mehr
weiterfahren durften. Verlorene Inseln in einer reißenden Flut.
»Was machen die
Schiffer den ganzen Tag? An Land gehen können sie ja schlecht«, hatte ich
gefragt.
»Wenn sie frisch
verliebt sind und ihre Braut dabeihaben, dann haben s' eine wunderbare Zeit«,
hatte Ecki gemeint. »Ansonsten: Karten spiel'n und Trübsal blas'n.«
»Und was würden
wir tun?«
»Geh, Kathi, was
schon? Bei uns würd's Mord und Totschlag geben, wenn wir so eng
aufeinanderhocken müssten.«
»Quatsch«, hatte
ich geantwortet, »wir würden's uns gut gehen lassen.«
»Freilich«, hatte
er mir zugestimmt und gelacht.
Gut gehen lassen,
na klar! Aber jetzt war Ecki abgetaucht und hatte mich mit einem Foto
zurückgelassen, das nur er erklären konnte. Schnell weitergehen, nicht stehen
bleiben, nicht zweifeln. Vorbei an dem Beach-Club an der Einfahrt zum Hafen,
dessen Sand und Palmen vorgaukelten, dass Dolce Vita auch in Köln-Mülheim
möglich war. Schnell über die schmale Fußgängerbrücke hinüber auf die kleine
Landzunge, die sich von der Zoobrücke aus in den Rhein schob. Verschluckt
werden von der Dunkelheit, hineingleiten in die nächtliche Stille, unsichtbar
werden.
Dichtes Gestrüpp,
dazwischen ein ausgetretener schmaler Fußweg, der am Fluss endete. Ich lief am
Ufer entlang, das viel breiter war als sonst, der Rhein führte Niedrigwasser.
Auf der anderen Flussseite glitzerte das nächtliche Köln, der Dom bohrte sich
mit majestätischer Wucht in den Nachthimmel. Wind zuckte durch die
Uferböschung, Steine knirschten unter meinen Füßen. Auf der Höhe des
Jugendparks flammte ein Strandfeuer auf. Der Geruch von Holzkohle und das
Lachen der Wurstesser füllten die Luft. Junge Leute, die eine nächtliche Party
am Fluss feierten. Bier und Wodka kühlten sie im Rhein, und das sorgte für ein
reges Treiben zwischen Feuer und Fluss.
Als ich den
improvisierten Kühlschrank passierte, stolperte ein breitschultriger Kerl
direkt auf mich zu. Ich sah ihm in die Augen und lief ruhig weiter. Ich hatte
keine Angst vor ihm, keine Angst vor den anderen Biertrinkern und Wurstessern,
und ich hatte keine Angst vor der Dunkelheit. Ich hatte Angst vor dem
Nachhausekommen, vor dem leeren Bett und vor einem Foto, das vielleicht doch
nicht gefälscht war.
SECHS
»Frau Schweitzer«,
sagte Brandt. »Ich spiele nicht falsch, ich will Ihnen nichts, ich versuche
nur, die Wahrheit zu finden. Aber der gestrige Abend und dieses kaputte Fenster
machen mir das verdammt schwer. Wer immer die Scheibe eingetreten hat, ich
wette, der hat auch Minka Nowaks Spind leer geräumt.«
»Wenn es nur das
ist«, murmelte ich und besah mir die Sauerei.
Das Glas des
Fensters direkt neben der Tür war zerbrochen. Es war ein Leichtes, dann nach
drinnen zu greifen und das Fenster zu öffnen, was auch passiert war. Ich musste
gestern Abend vergessen haben, die Rollläden runterzulassen.
»Es ist
Samstagvormittag, wie soll ich jetzt auf die Schnelle einen Glaser finden, der
mir die Scheibe repariert? Und dann der Ärger mit der Versicherung!«, jammerte
ich.
Vorgestern die
Tür, gestern die Rollläden, so nachlässig war ich sonst nie. War ich so durch
den Wind, war ich von allen guten Geistern verlassen, dass ich in meinen
eigenen Laden einbrach und es hinterher nicht mehr wusste? Denn das
unterstellte mir Brandt doch.
Nein, für den
gestrigen Abend gab es kein schwarzes Loch, ich erinnerte mich genau, wie ich
nach Hause gekommen war und dass ich mich danach nicht mehr fortbewegt hatte.
Das Schützenfest, das Strandfeuer, der Fluss, die leere Wohnung. Adela und Kuno
noch auf ihrem Camp, keine Nachricht von Ecki, das letzte Bier aus dem
Kühlschrank. Der Tag und der lange Marsch hatten mich so erschöpft, dass ich
tatsächlich schlafen konnte und sogar vor wirren Träumen verschont wurde.
Als der Wecker
geklingelt hatte, hatte er mich aus einem Tiefschlaf der Extraklasse gerissen.
Erst als ich mit der Hand nach Ecki tastete und nur ein leeres Laken fand,
kehrte das Bewusstsein zurück. Ich lag in meinem Bett, und ich war allein. Am
liebsten hätte ich den Wecker ausgestellt und mich umgedreht, um weiter in der
Schwerelosigkeit des Schlafes zu treiben, aber pflichtbewusst, wie ich nun mal
bin, war ich nach einem einsamen Frühstück direkt nach Mülheim gefahren, um der
Spurensicherung aufzuschließen, wie ich es Brandt gestern Abend versprochen
hatte.
Die
Spurensicherung, in Gestalt eines kleinen und eines sehr kleinen
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