Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition)
Kinderzimmer. Mike, der vorige Nacht im Gästezimmer geschlafen hatte, war nach unten verlegt worden, auf die Klappcouch im Wohnzimmer. Sunny hatte ihm frische Bettwäsche gegeben, statt das Bett, das er für mich frei machte, neu zu beziehen.
»Er ist sehr reinlich«, sagte sie. »Und schließlich ist er ein alter Freund.«
In derselben Bettwäsche zu liegen trug nicht zu meiner Nachtruhe bei. In meinen Träumen, wenn auch nicht in Wirklichkeit, roch sie nach Wasserpflanzen, Flussschlamm und Schilf in heißem Sonnenlicht.
Ich wusste, dass er nicht zu mir kommen würde, ganz gleichgültig, wie gering das Risiko war. Es wäre übel, das im Haus von Freunden zu tun, die – falls sie es nicht schon waren – auch die Freunde seiner Frau werden würden. Und wie konnte er sicher sein, dass ich das wollte? Oder dass er das wirklich wollte? Selbst ich war mir nicht sicher. Bis dahin hatte ich mich immer für eine Frau halten dürfen, die dem Menschen, mit dem sie gerade schlief, treu blieb.
Mein Schlaf war unruhig, meine Träume allesamt lustbestimmt, mit störenden und unangenehmen Nebenhandlungen. Manchmal war Mike einverstanden, traf aber auf Hindernisse. Manchmal wurde er abgelenkt, so, als er sagte, dass er mir ein Geschenk mitgebracht, es aber verlegt habe, und ihm ungeheuer wichtig sei, es zu finden. Ich sagte, lass doch, das Geschenk interessiert mich nicht, denn du selbst bist mein Geschenk, der Mensch, den ich liebe und immer geliebt habe, doch, das sagte ich. Aber er war beschäftigt. Und manchmal machte er mir Vorwürfe.
Die ganze Nacht lang – oder zumindest immer, wenn ich wach wurde, und ich wurde oft wach – zirpten draußen vor dem Fenster die Grillen. Anfangs hielt ich sie für Vögel, einen Chor unermüdlicher Nachtvögel. Ich lebte schon so lange in Großstädten, dass ich vergessen hatte, was für einen wahren Wasserfall aus Lärm Grillen erzeugen können.
Es muss auch gesagt werden, dass mir manchmal, wenn ich wach wurde, alle Felle fortschwammen. Unwillkommene Hellsichtigkeit. Was weißt du überhaupt von diesem Mann? Oder er von dir? Welche Musik hört er gern? Welche politischen Ansichten vertritt er? Welche Erwartungen hat er an Frauen?
»Habt ihr beiden gut geschlafen?«, fragte Sunny.
Mike sagte: »Wie ein Stein.«
Ich sagte: »Doch. Prima.«
Alle waren an dem Morgen im Haus eines Nachbarn, der einen Swimmingpool hatte, zum Brunch eingeladen. Mike sagte, dass er eigentlich ganz gern eine Runde Golf spielen würde, wenn das allen recht sei.
Sunny sagte: »Sicher«, und sah mich an. Ich sagte: »Also ich weiß nicht, ob ich …«, und Mike sagte: »Du spielst nicht Golf, oder?«
»Nein.«
»Trotzdem. Du könntest als mein Caddie mitkommen.«
»Ich komme als dein Caddie mit«, sagte Gregory. Er war bereit, sich jeder unserer Unternehmungen anzuschließen, denn er war überzeugt, wir würden großzügiger und unterhaltsamer sein als seine Eltern.
Sunny sagte nein. »Du kommst mit uns mit. Willst du denn nicht in den Pool?«
»Alle Kinder pinkeln in den Pool. Ich hoffe, du weißt das.«
Johnston hatte uns vor unserem Aufbruch gewarnt, dass Regen angekündigt sei. Mike hatte erwidert, wir würden es darauf ankommen lassen. Mir gefiel, dass er »wir« sagte, und es gefiel mir, neben ihm im Auto zu sitzen, auf dem Platz der Ehefrau. Die Vorstellung von uns als einem Paar erfüllte mich mit Freude – einer Freude, so unbeschwert wie die eines jungen Mädchens. Der Gedanke, Ehefrau zu sein, betörte mich, als sei ich nie eine gewesen. Mit dem Mann, der zurzeit mein Liebhaber war, passierte mir das nie. Hätte ich mich mit dem Mann meines Herzens einleben und die Teile von mir, die nicht passten, irgendwie loswerden und glücklich sein können?
Aber jetzt, da wir allein waren, herrschte ein wenig Befangenheit.
»Ist die Landschaft hier nicht schön?«, sagte ich. Und heute meinte ich es auch. Die Hügel sahen unter dem wolkigen weißen Himmel weicher aus als gestern im gleißenden Sonnenlicht. Die Bäume hatten am Ende des Sommers zerzaustes Laub, viele Blätter rosteten an den Kanten, und manche hatten sich schon braun oder rot verfärbt. Ich erkannte inzwischen einige Bäume am Laub. Ich sagte: »Eichen.«
»Der Boden hier ist sandig«, sagte Mike. »In der ganzen Gegend – die Leute nennen sie die Eichenberge.«
Ich sagte, dass Irland wohl sehr schön sei.
»Teilweise völlig kahl. Kahler Felsen.«
»Ist deine Frau da aufgewachsen? Redet sie mit dieser
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