Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition)
hatte, diverse Schmuck- und Kleidungsstücke, die sie in Toronto tragen konnten, aber nicht zu Hause –, und stopfte es in einen Müllsack. Und jedes Mal, wenn ich an sie dachte, tat ich mehr oder weniger dasselbe – ich schaltete mein Gehirn aus. Es gab Unglück, das ich ertragen konnte – jenes, das mit Männern verbunden war. Und anderes Unglück – jenes, das mit Kindern verbunden war –, das ich nicht ertragen konnte.
Ich kehrte zu dem Leben zurück, das ich geführt hatte, bevor sie kamen. Ich hörte auf, mir Frühstück zu machen, und ging jeden Morgen für Kaffee und frische Brötchen ins italienische Feinkostgeschäft. Der Gedanke, ganz von häuslichen Pflichten befreit zu sein, entzückte mich. Aber was mir jetzt auffiel und vorher nicht aufgefallen war, das war der Gesichtsausdruck einiger der Leute, die jeden Morgen auf den Hockern hinter dem Schaufenster oder an den Tischen auf dem Bürgersteig saßen – Leute, für die das kein berauschender Luxus war, sondern die fade Gewohnheit eines einsamen Lebens.
Wenn ich dann wieder zu Hause war, setzte ich mich hin und schrieb stundenlang an einem Holztisch unter den Fenstern einer ehemaligen Veranda, die jetzt als provisorische Küche diente. Ich hoffte, mich als Schriftstellerin durchzuschlagen. Die Sonne heizte den kleinen Raum bald auf, und meine Beine – ich trug Shorts – klebten am Stuhl. Der eigentümlich süßliche Chemiegeruch meiner Plastiksandalen, die meinen Fußschweiß aufnahmen, stieg mir in die Nase. Ich mochte das – es war der Geruch meiner Emsigkeit und, so hoffte ich, meiner wachsenden Meisterschaft. Was ich schrieb, war keinen Deut besser als das, was ich im alten Leben zustande gebracht hatte, während die Kartoffeln kochten oder die Wäsche in der Waschmaschine rumpelte. Es entstand nur mehr als früher, und es war nicht schlechter – das war alles.
Später am Tag nahm ich ein Bad und traf mich dann in aller Regel mit der einen oder anderen meiner Freundinnen. Wir tranken Wein an den Tischen auf dem Bürgersteig vor kleinen Restaurants in der Queen Street oder der Baldwin Street oder der Brunswick Street und redeten über unser Leben – hauptsächlich über unsere Liebhaber, aber uns war nicht ganz wohl bei dem Wort »Liebhaber«, also nannten wir sie »die Männer, mit denen wir eine Beziehung haben«. Und manchmal traf ich mich mit dem Mann, mit dem ich eine Beziehung hatte. Er war verbannt worden, als die Kinder bei mir waren, wenngleich ich diese Regel zweimal gebrochen und meine Töchter in einem tiefgekühlten Kino sich selbst überlassen hatte.
Ich hatte diesen Mann kennen gelernt, bevor ich aus meiner Ehe ausbrach, und er war der unmittelbare Grund dafür gewesen, obwohl ich das weder ihm noch anderen gegenüber je zugab. Wenn ich mich mit ihm traf, bemühte ich mich, sorglos zu wirken und Unternehmungsgeist zu zeigen. Wir tauschten Neuigkeiten aus – ich legte es darauf an, immer welche zu haben –, und wir lachten und begaben uns auf Wanderungen durch die Schlucht, aber eigentlich wollte ich ihn nur dazu verführen, mit mir zu schlafen, weil ich überzeugt war, dass in der Hitze der sexuellen Vereinigung das Beste von zwei Menschen miteinander verschmilzt. Ich war sehr dumm in diesen Dingen, in einer Weise, die für eine Frau in meinem Alter besonders gefährlich war. Es gab Zeiten, da war ich nach unseren Begegnungen glücklich – strahlend und sicher –, und es gab andere Zeiten, da lag ich da, von bösen Ahnungen schwer wie ein Stein.
Nachdem er sich fortgemacht hatte, spürte ich oft die Tränen laufen, bevor ich wusste, dass ich weinte. Und das war wegen eines Schattens, den ich in ihm erspäht hatte, oder wegen einer hingeworfenen Bemerkung oder einer versteckten Warnung, die er mir erteilt hatte. Draußen vor den Fenstern begannen, während es dunkelte, die Hinterhoffeste, mit Musik und Geschrei und Provokationen, die sich später zu Schlägereien auswachsen konnten, und ich hatte Angst, nicht vor irgendwelchen Feindseligkeiten, sondern vor einer Art Nichtsein.
In einer dieser Stimmungen rief ich Sunny an und erhielt die Einladung, das Wochenende auf dem Land zu verbringen.
»Es ist schön hier«, sagte ich.
Aber die Landschaft, durch die wir fuhren, sagte mir nichts. Die Hügel waren eine Reihe grüner Beulen, einige mit Kühen drauf. Flache Betonbrücken führten über Bäche voll Wasserpflanzen. Stroh wurde auf neue Weise geerntet, aufgerollt und auf den Feldern
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