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Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition)

Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition)

Titel: Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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entzückenden Aussprache?«
    »Du würdest meinen, ja, wenn du sie hörtest. Aber wenn sie dahin zurückfährt, sagen ihr alle, sie hat sie verloren. Sie behaupten, sie hört sich wie eine Amerikanerin an. Amerikanerin sagen sie immer – Kanada kümmert sie nicht weiter.«
    »Und deine Kinder – die hören sich wahrscheinlich gar nicht irisch an?«
    »Nein.«
    »Was sind es überhaupt – Jungen oder Mädchen?«
    »Zwei Jungen und ein Mädchen.«
    Ich verspürte einen Drang, von den Widersprüchen, den Kümmernissen und Zwangslagen meines Lebens zu reden. Ich sagte: »Meine Kinder fehlen mir.«
    Aber er sagte nichts. Kein Wort des Mitleids oder der Ermutigung. Vielleicht fand er es ungehörig, unter diesen Umständen über unsere Partner oder unsere Kinder zu reden.
    Bald danach fuhren wir auf den Parkplatz neben dem Clubhaus, und ganz ausgelassen, als wollte er seine Förmlichkeit wettmachen, sagte er: »Sieht so aus, als seien die Sonntagsgolfer aus Angst vor dem Regen zu Hause geblieben.« Auf dem Parkplatz stand nur ein Auto.
    Er stieg aus und ging ins Büro, um die Gastgebühr zu bezahlen.
    Ich war noch nie auf einem Golfplatz gewesen. Ich hatte das Spiel im Fernsehen gesehen, ein- oder zweimal und niemals freiwillig, und ich hatte mitbekommen, dass einige der Schläger Eisen genannt wurden oder einige der Eisen Schläger und dass einer Niblick genannt wurde und dass Golfer den Platz die Bahnen nannten. Als ich ihm das erzählte, sagte Mike: »Vielleicht wirst du dich fürchterlich langweilen.«
    »Wenn ja, geh ich einfach spazieren.«
    Das schien ihm zu gefallen. Er legte das Gewicht seiner warmen Hand auf meine Schulter und sagte: »Das sähe dir ähnlich.«
    Meine Unkenntnis spielte keine Rolle – natürlich brauchte ich nicht tatsächlich als Caddie zu fungieren –, und ich langweilte mich nicht. Alles, was ich zu tun hatte, war, ihm zu folgen und ihm zuzuschauen. Und ich brauchte ihm nicht einmal zuzuschauen. Ich hätte mir die Bäume am Rand des Platzes anschauen können – es waren hohe Bäume mit federigem Laub und schlanken Stämmen, deren Namen ich nicht genau wusste – Akazien? –, und sie wurden hin und wieder von Winden gezaust, die wir da unten überhaupt nicht spürten. Es gab auch Vogelschwärme, Amseln oder Stare, die mit einem gemeinschaftlichen Gefühl der Dringlichkeit umherflogen, aber nur von einem Wipfel zum anderen. Mir fiel wieder ein, dass Vögel das taten; im August oder schon Ende Juli begannen sie, sich zu lärmenden Massenversammlungen zusammenzufinden und sich auf die Reise nach Süden vorzubereiten.
    Mike sagte hin und wieder etwas, aber eigentlich nicht zu mir. Ich brauchte nicht zu antworten, und ich hätte es auch gar nicht gekonnt. Ich fand jedoch, er sagte mehr, als es ein Mann getan hätte, der ganz allein spielte. Seine unzusammenhängenden Worte waren Vorwürfe oder vorsichtige Glückwünsche an sich selbst, oder es waren überhaupt keine richtigen Wörter – nur die Geräusche, die etwas mitteilen sollen und die in der langen Vertrautheit eines in willentlicher Zweisamkeit verbrachten Lebens auch tatsächlich etwas mitteilen.
    Das sollte ich also tun – ihm eine verstärkte, erweiterte Wahrnehmung von sich selbst geben. Eine behaglichere Wahrnehmung, könnte man sagen, ein beruhigendes Gefühl menschlicher Polsterung um seine Einsamkeit. Er hätte das nicht ganz in dieser Weise erwartet oder ganz so selbstverständlich und ungezwungen eingefordert, wenn ich ein Mann gewesen wäre. Oder wenn ich eine Frau gewesen wäre, der er sich nicht in bestimmter Form verbunden fühlte.
    Ich dachte diesen Gedanken nicht zu Ende. Er ging ganz in dem Wohlgefühl auf, das mich überkam, während wir unseren Weg nahmen. Die Wollust, die mich in der Nacht mit stechenden Schmerzen heimgesucht hatte, war bezähmt und auf eine ruhig brennende Zündflamme zusammengestutzt, ehelich zugewandt. Ich sah zu, wie er sich aufstellte und auswählte und grübelte und blinzelte und ausholte, und ich folgte dem Flug des Balls, den ich immer glorios fand, er dagegen meistens problematisch, zum Ort unserer nächsten Herausforderung, unserer unmittelbaren Zukunft.
    Auf dem Weg dahin sagten wir kaum etwas. Wird’s regnen? Hast du einen Tropfen abbekommen? Ich glaub, ich hab einen abbekommen. Aber vielleicht auch nicht. Es war nicht das übliche Gespräch über das Wetter – es hing ganz mit dem Spiel zusammen. Würden wir die achtzehn Löcher schaffen oder nicht?
    Wie sich

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