Himmel und Hölle
eine
neue Herausforderung suchst, schenke ich dir gerne meinen Bauch! Dann gehe ICH arbeiten, und du liegst hier rum!«
Aber Stefan war kein Mann fauler Kompromisse. Mit leuchtenden Augen verkündete er: »Ich werde Marathon laufen.«
Ich musste schlucken.
»Schade, dass ich dir dabei nicht Gesellschaft leisten kann«, versuchte ich zu scherzen.
»Ich habe doch dieses Strunz-Seminar besucht«, teilte Stefan mir voller Begeisterung mit. »Und alles, was er sagt, hat mich hundertprozentig überzeugt.«
»Und deshalb hast du deinen Job aufgegeben«, schlussfolgerte ich. »Weiß der Kollege Strunz das? Zahlt der jetzt etwa unsere Miete?«
»Der Mann ist der Wahnsinn!«, schwärmte Stefan, meine spießige Maulerei überhörend. »Stell dir vor, Konstanze! Da sitzen hundert verfettete Manager, die in ihrem Leben nicht weiterwissen, die schwitzen, trinken und rauchen und keinen klaren Gedanken mehr fassen können, weil ihre Zellen schon ganz verfettet sind. Und er predigt von der Leichtigkeit und Freiheit, die man durch das Laufen erlangt.«
»Ich habe seine Bücher gelesen«, seufzte ich. »Er soll den knackigsten Männerhintern in ganz Franken haben. Ich kenne viele Frauen, die diesem feschen Hasen gern hinterherhoppeln würden.«
»Der Mann hat kein Gramm Fett am Leib«, fuhr Stefan bewundernd fort. »Und erst recht nicht in seinen Gehirnwindungen. DAS ist das Geheimnis des Erfolgs:
Laufen!« Stefan zog ein paar nagelneue Laufschuhe aus einer Plastiktüte.
»Schatz, ich werde den Hamburg-Marathon laufen!«
»Stefan? Das sind zweiundvierzig Komma irgendwas Kilometer!«
»Das ist mir bekannt.«
»Du bist doch noch nie … Na ja, als Handballer, damals beim TSV Wendelstein, wie viel bist du da so gelaufen am Stück? Ich weiß, du hast Kondition und bist sportlich ganz vorn mit dabei, aber …«
»Sieh mal, Kleines.«
Jetzt nannte mich Stefan auch schon Kleines, genau wie mein Vater! Das lag wohl daran, dass die beiden Schlaumeier täglich miteinander telefonierten. Ja, die beiden hatten die Welt im Griff! Und ich lag auf dem Sofa. Mit meinen 145 schlafenden - und wenn ich nicht bald auf die Beine kam -, ebenfalls verfetteten IQ-Punkten.
»Die ersten zehn Kilometer sind für einen geübten Sportler wie mich gar kein Problem«, strunzte er. »Die laufe ich dir auf dem linken Turnschuh. Die zweiten zehn Kilometer läuft man wegen der Erfahrung. Darauf freue ich mich ganz besonders. Die dritten tun weh, das sagen alle, da muss man einfach durch. Bei Kilometer fünfunddreißig, da heult man dann vor Schmerzen. Sagt auch Strunz. Da konzentriert man sich am besten auf sein Inneres.«
»Ich weiß.« Ich konzentrierte mich schon seit Längerem auf mein Inneres.
»Na, und ab Kilometer sechsunddreißig hast du das Ziel vor Augen! Dann bist du der Ermordung deines inneren Schweinehundes schon ganz nahe!«
»Toll!«, winselte ich schwach. »Weißt du, ich glaube, ich habe gar keinen inneren Schweinehund! Das liegt bei mir einfach nicht in den Genen! Und trotzdem liege ich hier auf dem Sofa rum.«
»Stell dir vor, du bist leicht und frei!« Stefan trat bereits hyperaktiv von einem Fuß auf den anderen.
»Ja. Gern.« Leicht und frei. Zwei tolle Wörter für eine Schwangere, die zum Liegen und Kleinkindhüten verdammt ist.
»Ich gehe jetzt gleich trainieren.«
»Und davon kann ich dich wirklich nicht abbringen?«, fragte ich, wohl wissend, dass ich genauso gut mit dem Kleiderschrank hätte reden können. Oder mit dem Laufstall.
»Wie lange kennst du mich jetzt schon?«
»Sieben Ehejahre sind lange genug, um zu wissen, dass du durchziehst, was du dir in den Kopf gesetzt hast.«
»Na also!« Stefan tätschelte mir das Kugelbäuchlein. »Du wirst schon sehen, Konstanze: Wenn ich den Marathon gelaufen bin, fällt mir auch was für unsere Zukunft ein. Versprochen.«
So begab sich mein lieber Stefan von nun an zum täglichen Training und rannte wie von der Tarantel gestochen. Dabei ernährte er sich vom Strunz’schen Eiweißpulver und den Vitamin-Cocktails, die man (nicht ganz im Sonderangebot) bei Dr. Strunz bekommen
kann. Von wegen mehlige Sieglinde und Sekt im Tetrapack!
Natürlich wusste ich als Ärztin, dass er für sich und seinen Körper nichts Besseres tun konnte. Mens sana in corpore sano! Nur in einem gesunden Körper steckt ein gesunder Geist. Ich hätte sterben können vor Neid.
Dass Männer von Gebärneid reden! Ich rede von Bewegungsneid!!
Und wo er gerade dabei war, besuchte mein lieber Stefan auch
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