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Himmel und Hölle

Titel: Himmel und Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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nicht den ganzen Tag nur putzen, kochen, Windeln waschen, einkaufen, staubsaugen und Bauklötze stapeln! Ich werde wahnsinnig!«
    »Aber das machen alle jungen Mütter, Konstanze!«
    »Das mag sein, Stefan, und es tut mir auch furchtbar leid, aber es geht einfach nicht mehr! Meine Gehirnzellen brauchen neue Nahrung! Ich will in meinen Beruf zurück!«
    Zum Glück stieß ich mit so etwas bei Stefan nicht auf taube Ohren. Er selbst arbeitete zunächst von zu Hause aus und bekam mit, wie der Alltag mit zwei Babys so aussah. Er half mir, wo er nur konnte, und zog seine ersten Aufträge mit Schreibtisch, Notebook und Telefon hinter der Schlafzimmertür an Land. Seine Firma »Kuchenmeister Real Estate Relationship« lief gut an. Später taufte er sie dann um in »Kuchenmeister Politik Affairs«. Er war jetzt Politikberater in Sachen Immobilien und hatte damit seinen Traumberuf.
    Und jetzt war ich zur Abwechslung auch mal dran mit der beruflichen Selbstverwirklichung! Das sah Stefan absolut ein, obwohl er selbst kaum Zeit hatte.
    »Meine Mutter könnte doch aushelfen!«, schlug mein mich liebender Gatte vor, während er bereits ihre Nummer wählte.
    Bis jetzt war ich Schwiegermama Helga wohl immer etwas suspekt gewesen. Die vornehme Hamburgerin. Studiert. Eine Frau Doktor.
    Obwohl es mir eigentlich sehr widerstrebte, die »Oma-fürs-Grobe«-Nummer durchzuziehen, willigte ich halbherzig ein. Ich wollte meine Schwiegermutter
nicht ausnutzen. Sie hatte selbst zwei Kinder großgezogen und sich ihre Ruhe im Alter verdient.
    Aber Helga war hilfsbereit und großzügig. Schon morgens um sieben rückte sie bei uns an, während ich Milch für Konstantin abpumpte und dann - in jeder Hinsicht erleichtert - in die Praxis Dr. Kreidl fuhr, eine gynäkologische Praxis in Nürnberg, wo ich für sechs Monate eine Stelle als Weiterbildungsassistentin bekommen hatte. Es war eine besondere Praxis, denn in ganz Bayern führte niemand den Ultraschallkopf so gut wie Frau Dr. Kreidl. Sie besitzt »Degum 2«, eine Art Ultraschall-Bambi, und macht damit spezielle Untersuchungen: Missbildungsultraschall und Fruchtwasseranalysen bei Verdacht auf eine Problemschwangerschaft.
    Da war ich als junge Mutter voll in meinem Element, schließlich hatte ich das ganze Prozedere schon mehrmals am eigenen Leib erfahren.
    In die »Kreidl-Praxis« wurden jene Schwangeren geschickt, bei denen beim Routine-Ultraschall Unstimmigkeiten aufgetreten waren. Die meisten kamen also schon mit Herzklopfen und weichen Knien in der Praxis an.
    Was hatte ich für Mitgefühl mit den Patientinnen, die da in banger Erwartung in unserem Wartezimmer saßen! Wie erleichtert waren wir im Team, wenn wir einer Schwangeren grünes Licht geben konnten! »Sie bekommen ein gesundes Baby. Genießen Sie den Rest der Schwangerschaft!« Diese Patientinnen fielen uns oft weinend vor Erleichterung um den Hals.
    Aber oft genug mussten wir den armen Frauen auch die bittere Wahrheit sagen. Tränen flossen so oder so.

    Dann wurde gemeinsam mit der Patientin auch über einen Schwangerschaftsabbruch gesprochen. Diese sehr intimen Begegnungen mit den zunächst überforderten Frauen gingen mir sehr nahe. Ich war selbst eine junge Mutter. Wer konnte sich besser in sie hineinfühlen als ich, die ich gerade zum zweiten Mal stillte?
    Eines Tages kam eine Russin, die in Deutschland schwanger geworden war. Sie war in der 22. Schwanger-schaftswoche. Als ich den Ultraschall machte, erschrak ich, denn ich konnte die Beine nicht darstellen. Die Unterschenkel fehlten, die Oberschenkel waren nur sehr unvollständig angelegt. Auch ein Unterarm war nicht zu sehen!
    Die russische Patientin erzählte mir dann schluchzend, dass sie über zwanzig Jahre neben einem Atomkraftwerk gewohnt habe.
    Also musste Frau Dr. Kreidl ran, um meinen Verdacht zu bestätigen. Und dann stellte sich die schwierige Frage, wie man damit umgehen und welchen Rat man der Patientin geben soll. In diesem speziellen Fall stellte sich die große Frage eines Schwangerschaftsabbruches, dass eine medizinische Indikation das Beste für die junge Frau wäre. Es entscheidet hierbei alleine die Patientin.
    So etwas nahm mich fürchterlich mit. Wenn ich dann abends nach Hause kam, zu meinen beiden kleinen Mäusen, die quietschfidel waren und sich unendlich freuten, ihre Mami zu sehen, kamen mir oft die Tränen. Aus lauter Dankbarkeit. Wir waren gesund. Gott sei Dank!

14
    Aber mein Leben sollte kein Friede-Freude-Eierkuchen-Dasein zwischen Traumberuf und

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