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Himmel und Hölle

Titel: Himmel und Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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noch jene Selbstverwirklichungskurse, in denen man barfuß über glühende Kohlen läuft und andere heldenhafte Dinge tut, die unsere Vorfahren ganz ohne Kursgebühren taten. Um ihr nacktes Überleben zu sichern.
    Ich hätte schreien können! Wie gern hätte ich meine Schwangerschaft gegen seinen Selbstfindungsprozess getauscht! Die kam seinen interessanten Erfahrungen in Sachen Selbstdisziplin und Schmerzresistenz nämlich ziemlich nahe! Was die Natur den Frauen auferlegt, scheint bei Männern einen gewissen Schmerz-Neid auszulösen. Zumindest bei meinem Stefan! Der hat in dieser Zeit konsequent durchgezogen, wovon die meisten Männer nur reden:
    »Man müsste mal.«
    »Man sollte sich echt mal dazu aufraffen.«
    »Eigentlich sollte ich dringend mal was für meine Gesundheit tun.«
    »Ich trinke heute mein letztes Bier, ab morgen fang ich an zu trainieren.«
    Alles leeres Gerede! Nicht so Stefan. Bei ihm gab es
kein Vielleicht, kein Müsste, Sollte und kein ABER. Er machte einfach.
    »Jetzt. Jetzt. Wir schaffen das, Konstanze!«
    Das waren seine Lieblingsworte, seit er mich kannte.
    »Was würdest du tun, wenn du wüsstest, dass es gelingt?«, fragte er mich oft. Schon damals, als ich in der Krankenhausgarderobe aufgeben wollte.
    Er stellt sich einen Traum GANZ DEUTLICH vor. Das ZIEL visualisieren. Das Gefühl schon vorwegnehmen, das man als Sieger hat. Das Wort »Geschafft!« zelebrieren.
    Kein Wunder: Er war mir bis nach London gefolgt, nachdem er mich einmal auf dieser Studentenfete gesehen hatte. Er konzentrierte sich auf ein Ziel, steuerte es an, und dann … peng! Mitten zwischen die Augen!
    »Wir machen das! Und zwar jetzt!«
    Schon als er mir geholfen hatte, das schmuddelige Schwesternzimmer in London auf Vordermann zu bringen, war das sein Leitspruch gewesen. Als wir in Blankenese zur ökumenischen Trauung gingen. Und als wir gemeinsam im Krankenhaus lagen und unser Kind bekamen.
    »Wir machen das! Und zwar jetzt!«

13
    Rumliegen? Jammern? Langweilen?
    Ich wäre nicht Konstanze Kuchenmeister, wenn ich nicht auch noch wie besessen für meine Facharztprüfung gelernt hätte. Zwischendurch verlangte ich ungehalten frische Windeln. Da konnte unser zärtlicher Umgangston schon mal ziemlich einsilbig werden. Kompromisslos, wie wir beide waren, gaben wir uns natürlich nicht mit herkömmlichen Windeln zufrieden. In Papierwindeln war, wie Stefan mir berichtete, der giftige Schadstoff TBT nachgewiesen worden. Und ein solches Gift kam uns natürlich nicht an den Popo unserer lieben Maus. Wir wickelten unseren kleinen Mäusepopo also mit guten alten Stoffwindeln, und Stefan hatte den Job, die vollgeschissenen Tücher anschließend zu waschen. Wie alle Mütter wissen, ist der Muttermilchstuhl von einer besonders delikaten Konsistenz und riecht, wie alternative Stillschwestern behaupten, nach Zimt (was ich nicht bestätigen kann). Ich erwähne das nur, um in diesem Zusammenhang Stefans Hilfe im Haushalt zu loben. Der Mann hatte trotz seines stundenlangen Marathon-Trainings relativ viel Zeit und legte wirklich tapfer mit Hand an.

    Und dann kam sein großer Tag: der Marathon in Hamburg. Stefan fuhr einfach mit der Bahn hin, lief die Strecke und kam dann wieder nach Hause. Einfach so. Und als Stefan wiederkam, war er glücklich und hatte sich selbst gefunden.
    Ich dagegen verbrachte meine Tage mit dem Pschyrembel und stapelweise frauenheilkundlichen Büchern. Die Krebsforschung war MEIN ZIEL! Mein Marathon! Wenn ich über die bösen Zellen las und meine Ergebnisse eintrug, fühlte ICH mich leicht und frei. Ich arbeitete gerade an meiner Brustkrebsstudie, als wieder vorzeitige Wehen einsetzten. Ich war gerade in der 32. Woche! Genau wie beim letzten Mal!
    Weil ich das Programm inzwischen kannte - als Ärztin wie als Mama -, verabreichte ich mir selbst Wehen hemmende Mittel und achtete auf absolute Bewegungslosigkeit. Auf keinen Fall wollte ich mich wieder wie achtzehn Monate zuvor von meinen Kollegen bedienen lassen. Schon beim Gedanken daran spürte ich einen riesigen Knoten im Magen.
    Wenigstens Stefans innerer Knoten war geplatzt. Er wusste jetzt, dass er sich selbstständig machen wollte. Als Kommunikationsberater in Sachen Politik. Er wollte nur noch dort eingreifen, wo es eng wurde. Zum Beispiel bei Baugenehmigungen.
     
    »Nee, Leute. Dafür hab ich nicht studiert.«
    Mein kleiner Konstantin war genau sechs Monate alt und Catherine gerade zwei, als mir das Hausfrauen-Dasein endgültig reichte.

    »Ich kann doch

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