Himmel und Hölle
jetzt: wie in den Fängen zweier brüllender, fauchender und um sich schnappender Alpha-Männchen. Wie ein Stück Beute. Ich konnte das nicht länger mit anhören! Mein geliebter Ehemann und Vater meiner Kinder setzte meinen hochverehrten Vorgesetzten dermaßen unter Druck, dass ich anfing zu weinen.
Da half auch alles positive Denken nichts. Wie ein Häufchen Elend saß ich mit gesenktem Kopf in seinem Sprechzimmer und knetete meine Hände.
Der Professor schnauzte uns an: Was wir uns denn dabei denken würden, eine dermaßen heiß umkämpfte Stelle bei ihm so mir nichts, dir nichts aufzugeben. Ob ich denn schon vergessen hätte, was ich ihm alles verdanke, und so weiter und so fort. Die ganze Langspielplatte. Mit sämtlichen zu erwartenden Hits.
Und Stefan schnauzte zurück: Dass es hier um MEIN Leben ginge, an dessen ANFANG ich doch erst stünde. Und dass sich der gute Professor einen NEUEN
Nachwuchsspieler suchen solle, der nach seiner Pfeife tanze und ihm die Därme aus dem Weg halte, bis er vor Erschöpfung in Ohnmacht falle. Eine eigene Praxis würde mir als zweifacher Mutter wesentlich besser in den Kram passen als diese langen Nachtdienste hier - von den vielen unappetitlichen Operationen ganz zu schweigen.
So ging das eine Weile hin und her, bis ich heulend den Raum verließ. Draußen wankte ich geschwächt über den Flur und hielt mir die Ohren zu. In meinem Bauch rumorte es. Das war einfach zu viel für mich.
Oh lieber Gott, mach, dass er mich gehen lässt! Mach, dass er mir nicht böse ist! Mach, dass er und Stefan sich gleich in die Arme fallen und sich gegenseitig respektvoll auf den Rücken klopfen!
Der Professor wurde weich. Ich glaube, mit Fug und Recht behaupten zu können, dass er mich mochte. Und irgendwie tat ich ihm wahrscheinlich leid: eine heulende Fachärztin, deren Mann hier nur ihre Interessen vertrat und keinen Millimeter davon abwich. Die hätte wohl jedem leidgetan.
»Frau Doktor Kuchenmeister!«, sagte der Halbgott in Weiß und winkte mich mit wehendem Kittelärmel wieder zu sich ins Zimmer. »Meinetwegen bekommen Sie eine Halbtagsstelle! Nur bleiben Sie um Himmels willen in meinen Diensten!«
»Nein!«, mischte sich Stefan ein. »Sie übernimmt die Praxis!«
»Aber Stefan!«, wagte ich einzuwenden. »Wir haben die Praxis doch noch gar nicht! Die Witwe hat sich bislang
nicht entschieden, und die Kassenärztliche Vereinigung hat auch noch ein entscheidendes Wörtchen mitzureden …«
»Es ist DEIN Leben, Konstanze! Mach DEIN Ding!«, schrie Stefan.
»Sie kriegen eine HALBTAGSSTELLE!«, brüllte der Professor. »Nur von acht bis vier! MIT Pause! Soll ich Sie etwa NOCH mehr in Watte packen?!«
Ich war zu schwach, um auch nur einem von ihnen zu antworten. Draußen im Wartebereich sank ich erneut erschöpft auf einen Stuhl und hörte mir das Geschrei aus der Ferne an.
Ach verehrter Professor Aigner, dachte ich, lass mich doch gehen. Männer sollten sein wie ein gutes Haarspray: Halt geben, aber nicht kleben! Aber das fiel ihnen ja im Traum nicht ein.
Solche unerfreulichen Wortgefechte waren nicht meine Stärke. Ich hatte Bauchweh und wollte heim. Ich hatte plötzlich das Gefühl, dass mir etwas mit der Wucht von vier Füßen gegen den Bauch trat. Nein, ich überließ die unerfreuliche Diskussion lieber Stefan.
Und der hatte sich so richtig in Rage gebrüllt. Aber der Professor auch. Brot und Spiele, Teil zwei:
»Lassen Sie meine Frau gehen, Sie Egoist!«
»Ich denke nicht daran! Ihre Frau ist eine ausgezeichnete Fachkraft!«
»Sie will in einer ganz normalen gynäkologischen Praxis arbeiten! Und selbst über ihre Zeit bestimmen! Und meine Frau hat doch zwei kleine Kinder. Das gilt es schließlich auch noch zu berücksichtigen. Unsere
Kleinen wollen ihre Mutter ja auch mal sehen, ganz zu schweigen von mir!«
Jetzt zauberte Stefan einfach die Argumente von Frau Thaler aus dem Hut.
»Ich will aber Ihre Frau! Sie war acht Jahre lang in meinen Diensten. Dabei hat sie sämtliche Stationen meines Hauses durchlaufen und die operative und konservative Frauenheilkunde ausführlich kennengelernt. Bei einer außergewöhnlich großen Anzahl von Eingriffen hat sie mir assistiert, auch bei solchen mit höchstem Schwierigkeitsgrad«, leierte er herunter, als würde er mir ein Zeugnis schreiben. »Sie ist eine ausgereifte Persönlichkeit und hat bereits ein gerüttelt Maß an eigener Erfahrung. Ausgerechnet jetzt, wo sie das Fachgebiet der Geburtshilfe und Frauenheilkunde beherrscht, soll
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