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Himmel und Hölle

Titel: Himmel und Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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stehen unbeholfen im Weg herum, oder sie filmen. Natürlich gibt es immer wieder ein paar Hartgesottene, die ihre Frau auffordern, ohne Schmerzmittel zu entbinden, und ihr dann reinreden, wie sie atmen soll. Das sind für mich die Allerschlimmsten. Die waren mit im Vorbereitungskurs und atmen selbst in ihren Beckenboden. Theoretisch wissen die genau, wie alles geht, und texten ihre Frau nur unnötig voll.

    »Die Wehe koooomt«, brüllte so ein rotbärtiger Alternativ-Sponti, der noch seine Gitarre mitgebracht hatte. »Wir atmen tiiiiieeef in den Bauch!«
    Die blasse Lebensgefährtin gehorchte ihm aufs Wort, und ich sah mir die Angelegenheit mit verschränkten Armen von der Tür aus an. Das waren so Möchtegern-Indianer, die am liebsten an einem Strauch hängend ihr Kind bekommen hätten.
    Der Kerl hatte sich zum alternativen Gebären die Schuhe ausgezogen, und seine Socken dampften das Aroma der gesamten letzten neun Monate in den Kreißsaal. Auch sein Holzfällerhemd war nicht mehr so ganz taufrisch. Wahrscheinlich hatten die alternativen Spontis zu Hause keine Waschmaschine und schliefen auf naturbelassenen Schaffellen, auf denen sie auch den Nachwuchs gezeugt hatten. Ich rümpfte unauffällig die Nase und versuchte, in meinen Kittel zu atmen.
    »Jetzt hecheln, Hedda!«, kommandierte der Stink-sockenindianer. »Nicht pressen, bloß nicht pressen!« Dabei hechelte er selbst wie ein rheumatischer Zwergschnauzer, der gerade fünfmal um den Ententeich gerast ist. Und verströmte eine Knoblauchwolke, bei der ich ins Taumeln geriet.
    »Beruhigen Sie sich, guter Mann«, sagte ich von der Tür aus. »Gehen Sie doch mal eine Friedenspfeife rauchen! Oder noch besser Zähneputzen. Und nehmen Sie Ihre Gitarre mit!«
    »Meine Frau braucht mich hier«, sagte der Stink-schnauzterrier überzeugt. »Und die hat genauso viel Tsatsiki gelöffelt wie ich. Die merkt das nicht.«

    Die arme Gebärende verdrehte hilflos die Augen.
    »Die Wehe hat nichts gebracht«, stellte der werdende Vater bedauernd fest. »Ich könnte dir aber mal den Rücken massieren.«
    Oh bitte nicht, dachte ich.
    Der Schweißfußindianer knetete dann so unappetitlich an seiner Lebensgefährtin herum, dass ich erwog, das Abendessen ausfallen zu lassen. Seine Finger mit den überlangen Gitarreklampfnägeln riefen ungute Assoziationen in mir wach.
    »So eine Geburt kann sich sehr lange hinziehen«, sagte ich schmallippig. »Vielleicht möchten Sie zwischendurch kurz nach Hause gehen und sich etwas frisch machen. Vielleicht bringen Sie auch Ihrer Frau ein paar Utensilien mit.«
    »Wir gebären sowieso in der Badewanne«, drohte mir der Stinker an.
    Da hatte er ja ganz praktisch gedacht: Wir baden nie, außer beim Gebären in öffentlichen Kreißsälen. Da kostet uns das nichts.
    »Los, Hedda, versuch noch mal den Trick mit dem Pinkeln-Abwürgen. Du weißt schon, der Beckenbodenmuskel-Entspannungs-Effekt.«
    »Hä?«, machte ich von der Tür her, und Verena, die Hebamme, hustete in ihr Stethoskop.
    Daraufhin verkrampfte die arme Hedda ihre gesamte Beckenbodenmuskulatur und machte dabei ein Gesicht, als würde sie in Hühnerkacke beißen. Ihr Kerl biss auch in Hühnerkacke. Seine Halsadern schwollen an, und seine Augen traten hervor.

    »Entspannen Sie sich doch bitte«, flehte ich ihn an. »Tun Sie irgendetwas Sinnvolles!« Damit meinte ich eigentlich: Abhauen.
    Daraufhin drückte der Stinker seine Gitarre an seinen Beckenboden und spielte: »Danke für diesen guten Morgen, danke für jeden neuen Tag.«
    »Leg dich mal auf die Seite, Hedda«, sagte der werdende Vater, als alles Lobpreisen nichts half. »Rutsch mal, ich komm zu dir.« Er riss sich das speckige Oberhemd vom Leib und krabbelte zu seiner Frau ins Bett. Ich schloss verzweifelt die Augen.
    Oh Gott, dachte ich. Wie werde ich diesen Kerl nur los? Zu meinem grenzenlosen Entsetzen zog der alternative Gebärvater nun eine Blockflöte aus seinem schmuddeligen Rucksack und fing an, wie der Rattenfänger von Hameln in sein hölzernes Instrument zu blasen.
    Verena musste kurzfristig den Raum verlassen, und ich schnäuzte mich ins Taschentuch. Wir waren beide völlig fassungslos. Wir hatten ja schon viel erlebt, aber das war uns neu.
    Die arme Hedda bekam bei dem Gefiepe ganz fürchterliche Wehen, und der Mann hörte auf, in sein spuckedurchtränktes Gerät zu pusten. Er wälzte sich auf den Rücken und begann seine Wehen zu veratmen, als hätte er Drillinge im Bauch.
    »Los, Hedda. Tiiiieeef in den Baaauch«,

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