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Himmel und Hölle

Titel: Himmel und Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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anzubieten. Aber die Hartgesottenen lehnen den eiskalt ab! Das ist ja so was Unnatürliches, so ein Einlauf. Die lassen lieber ihre Köttelchen fröhlich um den Bauch schwimmen, und ich darf dann da reingreifen und nach dem Muttermund tasten. Wunderbar!
    Die Wanne hat eine gewisse Tiefe, du musst bis zur Schulter rein. Da krempelt man sich dann erst mal geduldig die Ärmel hoch. Der normale Untersuchungshandschuh geht nur bis übers Handgelenk, den kann man also nicht brauchen. Deshalb haben wir uns einen ganzen Vorrat extralanger Handschuhe angeschafft. Solche benutzt der Tierarzt bei Pferden und Kühen. Trotzdem: Hat man erst mal weit genug hineingegriffen, hat man die Brühe im Handschuh. Das ist ein Gefühl, wenn man so ein leckeres Würstchen am Oberarm kleben hat!
    Frau, press schneller!
    Die Männer sitzen meist relativ blass auf dem einzigen Drehstühlchen, das so ein alternatives Gebärzimmer zu bieten hat. Eigentlich ist das für den entbindenden Arzt gedacht, aber die Kerle fragen da nicht lange: »Ist hier noch frei?« Die lassen sich einfach auf den Stuhl fallen. Den anderen - Stuhl meine ich - habe ich dann an der Backe. Im wahrsten Sinne des Wortes.
    Die Männer bleiben hocken und reden auf ihre Frau in der Wanne ein. Wenn dann der Kopf des Kindes in der Scheide steckt, kommt das Kind unter Wasser zur Welt und wird von mir vorsichtig hochgezogen.

    Aber bitte, liebe Frauen, denkt doch mal nach! Was bekommt so ein Kind denn da für einen ersten Eindruck? Richtig: »Ich stecke ganz tief in der Scheiße.«
    Das MUSS doch nicht sein!
    Wir fragen dann die Männer, ob sie die Nabelschnur durchschneiden wollen. Da gibt es auch wieder zwei Fraktionen. Die einen fragen angewidert: »Muss ich?« und halten die Schere mit spitzen Fingern so ungeschickt, dass wir die Sache schnell für sie erledigen. Die anderen haben ihre sterile Schere schon von zu Hause mitgebracht und können es kaum erwarten, die Nabelschnur zu durchtrennen.
    Na ja, um der ganzen unappetitlichen Sache ein Ende zu bereiten: Wenn dann endlich alles vollbracht ist, wird die Frau aus der Wanne gewuchtet und abgeduscht, und dann muss sie ja doch noch auf den Gebärstuhl, weil wir häufig nähen müssen. Also nähen in der Badewanne - das geht gar nicht.
    Mir ist es eigentlich immer egal gewesen, ob der Damm gerissen war oder geschnitten wurde. Ein Schnitt ist natürlich besser zu nähen als ein Riss. Aber wenn man es kann - und DAS, meine lieben Leserinnen (und Leser? Hallo? Seid ihr noch da?), habe ich wirklich bei Professor Aigner gelernt, im ersten Lehrjahr -, ist es nicht weiter schlimm. Wirklich schlimm wird es erst, wenn man dem schwitzenden Kerl den Hocker wegnehmen muss.
    Die Alternativen sind ja sehr überzeugt von dem, was sie da machen. Die nehmen auch alle ihren Mutterkuchen mit nach Hause, um einen Baum darauf zu
pflanzen. Wir fragen dann zuvorkommend: Möchten Sie ihn tiefgefroren oder frisch? Dürfen wir ihn Ihnen einpacken? Schleife drum? Soll es ein Geschenk sein?
    Die Patientinnen aus dem Mittelmeerraum sind deutlich seltener alternativ drauf. Wenn du denen ihren Mutterkuchen als Give-away in die Hand drücken würdest, käme es wahrscheinlich zu erheblichen Missverständnissen. Wenn der Ehemann im Zimmer ist, stöhnen und schreien sie und machen eine wahnsinnige Show, genannt Mittelmeersyndrom. Kaum ist er draußen auf dem Gang, kann man mit ihnen vernünftig reden. So ist das eben.
     
    Bemerkenswert sind für mich alle, die beim Gebären ihren Schleier nicht abnehmen. Aber die Unterhose lassen sie nicht an, da bestehe ich drauf! Ansonsten sind besonders die Türkinnen in jeder Hinsicht extrem kooperativ. Toll! Die machen, was du ihnen sagst! Auch wenn sie oft gar nichts verstehen. Das ist ja das Wunder der Natur: Es geht trotzdem!
    Eine Geburt ist ein natürlicher Vorgang, und der findet statt, mit oder ohne Hechel-Firlefanz und Beckenbodengymnastik. Ein gewisser Ur-Instinkt ist uns allen erhalten geblieben, Gebärbaumstumpf mit Liane hin, Badewanne her. Bei einer Entbindung bist du auf ein Vertrauensverhältnis angewiesen und darauf, dass sich die Patientin auf die Hebamme einlässt. Aber auch eine Frau, die noch nie aufgeklärt worden ist, wird sicher entbinden.

    In sozial schwächer gestellten Familien ist eine Geburt nicht immer ein lang ersehntes, freudiges Ereignis, zu dem der Mann seine Videokamera mitbringt. Da bringt noch nicht mal immer die Frau den Mann mit.
    Mitten in der Nacht bekam ich in meinem

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