Himmel und Hölle
quietschte er panisch.
»Bitte hören Sie auf mit dem Quatsch!«, sagte ich entschieden. »So kommen wir nicht weiter.«
Hedda kniff die Augen zusammen und begann zu pressen. Ich konnte nur noch mit geübtem Griff zwischen ihre Beine greifen.
Als er das erste Blut sah, ergriff der alternative Sponti sein speckiges Hemd und ging im wahrsten Sinne des Wortes flöten. Auf die Besuchertoilette.
Männer im Kreißsaal sind wie gesagt ein weites Feld. Erst wissen sie alles besser und geben den Ton an. Aber wenn die Frau dann vor Schmerzen brüllt, und es fließen Blut und andere Körperflüssigkeiten, wird ihnen schlecht. Viele sind total geschockt, dass eine Geburt wirklich so wehtut! Und auch so unappetitlich ist. Das hatten sie vorher nicht gewusst.
Manche hören dann aus Rücksicht auf zu filmen, aber die ganz Hartgesottenen zoomen auf jedes Detail. Eher fällt denen der Arm ab, als dass die mit dem Filmen aufhören. Manche halten ihrer Frau auch einen Spiegel hin, damit sie ein schöneres Geburtserlebnis hat.
Ich hatte mal eine Frau, die im Laufe der Zeit vier Kinder bei mir entband, und jede Geburt wurde von ihrem Mann gefilmt. Bei den ersten drei Geburten hatte er aber vor lauter Eifer vergessen, die schwarze Kappe von der Linse zu nehmen. Er hatte also nur stundenlanges Gestöhne ohne Bild aufgenommen. Aber bei der vierten Entbindung hat es dann auch mit dem Bild geklappt. Doch wie das Leben so spielt: Danach haben sich die beiden getrennt, und er hat der Kindsmutter dieses Video aus lauter Trotz nie gezeigt. Und seine nächste Frau wollte es nicht sehen. Na toll!
Die alternativen Gebärenden machen uns immer am meisten Freude. Was denen alles einfällt! Sie bringen Kartenspiele mit oder nette Freunde, die dann ihre Klarinetten und Geigen auspacken und »Die launische Forelle« spielen.
Einige spachteln erst mal Pizza vom Italiener: »Bin ische hiere rischtige? Zweimal Schinken-Spinat-Salami mit extra viel Mozzarella?«
Der Geburtshocker, auf dem die Gebärende sich an einem Seil festhalten kann, ist für die besonders natürlich Niederkommenden zwar eine große Verlockung, weil der echt schick aussieht und auch voll den Urmenschen in dir weckt, erledigt sich aber fast immer schon im Vorfeld, weil er wirklich mordsunbequem ist. Doch die Alternativen fühlen sich wie magisch davon angezogen und möchten auf ihm gebären und keinesfalls im Bett. Angeblich, weil die Erdanziehungskraft das Kind von ganz alleine holt und in den Millionen Jahren vor uns alle Frauen im Hocken oder Hängen niedergekommen sind. Darum heißt das ja auch NIEDERkommen. Hört sich irgendwie auch logisch an.
Aber als Schwester, Hebamme oder Ärztin bricht dir der kalte Schweiß aus, wenn so eine Alternative unbedingt auf den Hocker will und sich weigert, sich in die Waagerechte zu begeben. Denn dann fließt die ganze Suppe natürlich auch an den Beinen runter, und du bist nur am Wischen und Putzen. Außerdem schwellen die Schleimhäute auf die Größe von Mopedreifen an, sodass man sich fragt, wie man die Dinger bloß wieder zusammennähen soll.
Also, ich für meinen Teil bitte die Urmenschen-Frauen, die ihr Kind bestimmt Neander nennen wollen, erst mal von diesem Hocker runter und biete ihnen ein bequemes Bett an.
Doch leider wollen die meisten Alternativen ihr Kind in der Badewanne bekommen. Leute, bitte! Könnt ihr euch vorstellen, wie toll es für die entbindende Ärztin ist, zu einer Gebärenden in die Badewanne zu krabbeln? Im Kittel und mit Stethoskop?
Bei Geburten ist es fast immer Nacht. Dir ist sowieso schon schlecht, der Kreislauf sackt ab, ein Nickerchen wäre jetzt der Hammer, doch dann klingeln die aus dem Kreißsaal. Konstanze, komm mal in die Puschen!
Der Kreißsaal ist feuchtwarm wie eine Sauna.
Der Kerl, den die Frau mitgebracht hat, stinkt nach altem Brötchen oder krankem Pferd, und alle bis auf die Frau sind in dieser Sauna voll bekleidet. Die ist nackt, aber sie spielt die Hauptrolle. Und deshalb wird der Rest der ganzen Laienspieltruppe hier nicht über die Requisite motzen.
Die Frau liegt also bei gefühlten fünfzig Grad Zimmertemperatur in der Badewanne. Sie keucht und stöhnt, wobei die ganz Alternativen ein erstaunliches Repertoire an Urschreien draufhaben. An dieser Stelle könnte man nur kurz mal beschreiben, was da noch so alles in dieser Wanne herumschwimmt. Außer der Frau.
Von wegen Enddarm leer …
Natürlich versuchen wir den werdenden Müttern in
aller Freundlichkeit einen Einlauf
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