Himmel voll Blut - DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
sagte er. »Ich arbeite hier nur.«
»Sie zerlegen gerade was?« sagte Vinnie.
Der Mann betrachtete seine Handschuhe. »Einen Elch«, sagte er. »Was für eine gottverdammte Schweinerei.«
Eine Frau steckte den Kopf durch den Türspalt hinter ihm. Sie war genauso groß wie der Mann, und man wußte in einer Sekunde, daß sie schon ewig und drei Tage verheiratet waren. »Wer ist da, Ron?«
»Zwei Männer«, sagte er. Er stellte uns ihr nicht vor. Statt dessen wandte er sich um und ging zu ihr zurück. Beide verschwanden im Schuppen und schlossen die Tür.
»Was ist los mit dir?« fragte Vinnie. »Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
»Nichts. Mir geht es gut.«
Nur ein bißchen Blut, dachte ich. Kein Problem.
»Ich gehe davon aus, daß die Frau im Schuppen nicht Helen war«, sagte er. »Glaubst du auch, daß sie im eigentlichen Jagdhaus ist?«
»Sehen wir doch nach. Ich dachte schon, die beiden hören nie mit ihrem Geschwätz auf.«
Wir gingen auf dem Pfad bis zum Vordereingang der Hütte und stiegen eine kleine Treppe hinauf, die dringend einen frischen Anstrich brauchte. Das ganze Anwesen hatte etwas Heruntergekommenes an sich, vom vielfach gesprungenen Sockel bis zu den zahllosen Spinnweben unter dem Verandadach. Wir klopften an die Tür. Niemand antwortete.
Vinnie sah mich an, klopfte abermals an die Tür und öffnete sie dann. Der Raum, in den wir eintraten, war viel hübscher, als ich es nach dem äußeren Eindruck des Gebäudes erwartet hatte. Ein großer Holztisch stand in der Mitte, umgeben von acht handgeschnitzten Stühlen.
Ein Kamin, wie mein alter Herr ihn gebilligt hätte, befand sich an der rückwärtigen Wand, und ein riesiger Elchkopf sah uns an, sein Geweih so groß wie ein Klavier.
»Hallo!« sagte Vinnie. »Jemand da?«
»Hier hinten!« sagte eine Stimme. »Kommt doch durch.«
In der gegenüberliegenden Wand befand sich eine Tür. Als wir um den Tisch herumgingen, sah ich noch einmal zum Elchkopf hoch. Er schien mich regelrecht anzustarren.
Vinnie stieß langsam die Tür auf und sah nach drinnen. Es war ein Büro, mit einem Rollschreibtisch und einem Panoramafenster zum See hin. Die Frau drinnen machte sich an der Antenne eines kleinen Fernsehapparates zu schaffen. Welchen Sender sie hier einzufangen gedachte, konnte ich nicht einmal raten. Vielleicht eine CBC-Station bei Timmins.
»Entschuldigen Sie bitte die Störung«, sagte Vinnie.
Die Frau wandte sich um und musterte uns. »Oh!« sagte sie.
»Ich dachte, die Männer wären aus der Stadt zurück.«
»Entschuldigen Sie die Störung, Ma’am«, sagte ich.
»Macht nichts«, erwiderte sie. »Sie haben mich nur überrascht.« Sie hatte braune Augen, das war das erste, was mir auffiel. Sie hatte in etwa mein Alter, vielleicht wenige Jahre mehr, braunes Haar, das soeben grau zu werden begann, und sie trug ein rotes Flanellhemd, das ihr etliche Nummern zu groß war.
Mein Gesamteindruck war der einer netten Dame, die durchaus recht hart sein konnte. Vermutlich der Typ, der in diese Einöde paßt.
»Die beiden draußen sagten uns, wir sollten uns an Sie wenden«, sagte ich. »Sie seien die Besitzerin. Wir haben schon versucht Sie anzurufen, aber ich glaube, Sie haben ein Problem mit Ihrem Telefon.«
»Mein Name ist Helen St. Jean«, sagte sie und stand auf. Sie schüttelte Vinnie die Hand, dann mir. »Ja, das Telefon ist seit einer Woche hinüber. Wenn jetzt nicht Saisonende wäre, würde ich es reparieren lassen, damit es wieder kaputtgehen kann.«
Vinnie schaltete sich plötzlich ein. »Mein Name ist Tom LeBlanc«, sagte er. Wenn man das so hörte, schien unser vermißter Tom quicklebendig und wohlauf zu sein. »Das hier ist mein Freund Alex McKnight.«
»Die beiden draußen waren Ron und Millie«, sagte sie. »Vermutlich war er noch mit dem Elch zugange.«
»Bis zu den Ellenbogen, wie es schien«, sagte Vinnie.
Sie runzelte die Stirn. »Ich habe keine Ahnung, wie viele Elchburger diese Männer mit nach Hause nehmen wollen. Ich weiß nur, daß sie hier nicht allzu glücklich waren. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie nächstes Jahr wiederkommen. Nicht als wenn wir nächstes Jahr hier wären.«
»Über wen sprechen wir momentan?« fragte Vinnie. »Sie müssen wissen, daß wir gerade versuchen, meinen Bruder ausfindig zu machen. Wir wissen, daß er hier war.«
»Ich glaube, ich höre sie jetzt«, sagte sie. »Hank hat sie nach Calstock gebracht, sobald sie vom See zurück waren. Sie wissen ja, wie das
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