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Himmel voll Blut - DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)

Himmel voll Blut - DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)

Titel: Himmel voll Blut - DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
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mochte. Fast hätte ich seinen Namen laut gerufen, als mir klar wurde, daß das der reinste Selbstmord gewesen wäre. Ich blieb stehen und lauschte. Ich hörte nichts außer meinem Atem und dem sanften Plätschern des Wassers an den Steinen.
    Am Rande meines Gesichtsfeldes bewegte sich etwas. Ich duckte mich instinktiv und wartete auf die Explosion eines Gewehrs. Hinter einem Baumstamm erschien Vinnies Gesicht. Er hielt eine Hand an seinem rechten Ohr, die ganze Seite seines Gesichts war blutverschmiert. Er lehnte sich an einen Baum, als sei der das letzte, was ihn aufrecht halten könnte.
    Ich ging zu ihm, stieß seine Hand beiseite und sah nach seinem Gesicht. Er wehrte mich ab und wies auf den Boden. Ich sah nach unten und auf meine eigenen Fußspuren. Wir machten es ihnen verdammt leicht, uns zu finden.
    »Komm, hier lang«, sagte ich. Ich wollte ihn den Bach hoch führen, besann mich dann aber eines besseren. Das war genau die Richtung, in der sie uns vermuten würden. Statt dessen führte ich Vinnie gut hundert Meter bachabwärts, entgegen unserer bisherigen Richtung. Das Wasser war kalt und durchweichte meine Schuhe erneut, aber das scherte mich den Teufel.
    Wir sprangen aus dem Bach und schlugen uns wieder in die Wälder. Laufen konnten wir nicht mehr. Aber wir bewegten uns stetig. Hier gab es keinen Pfad. Wir wollten auch keinen Pfad. Wir bahnten uns unseren Weg zwischen den Bäumen durch und kletterten über Felsen. Ich weiß nicht, wie lange wir so gegangen sind. Ich weiß nicht, wie weit wir uns von ihnen entfernt hatten oder wie schwer wir es ihnen machten, uns zu finden. Als Vinnie langsamer wurde und über die eigenen Füße stolperte, dachte ich mir, daß wir so weit wären, wie wir momentan kommen konnten.
    Wir kamen an einen nackten Felsrücken. Ich spähte über seine Kante und gewahrte eine Nische unter einer überhängenden Partie.
    »Vinnie, hier runter«, sagte ich.
    Ich half ihm über die Kante zu klettern. Er brach auf der Stelle zusammen, den Rücken gegen die Felswand. Ich packte den Stamm einer großen Kiefer, die umgestürzt war, und verschob ihn mit aller Kraft, bis er sich über unsere Nische lehnte. Als ich nach drinnen kroch, sah ich, daß ich Vinnie mit braunen Kiefernnadeln übersät hatte.
    Ich bürstete sie ab und konnte mir jetzt endlich in Ruhe sein Gesicht ansehen. In der Wange war eine blutige Rinne, wo die Kugel ihn gestreift hatte. Sein rechtes Ohrläppchen war verschwunden.
    »Oh Scheiße, Vinnie. Das ist eine gottverdammte Scheiße.«
    Er atmete schwer, ein langer Faden Schleim hing ihm aus der Nase.
    »Gib mir deinen Arm«, sagte ich. Er blutete zur Zeit erheblich stärker im Gesicht, deshalb rollte ich seinen Ärmel hoch, löste die Bandage und preßte sie ihm gegen Wange und Ohr. Er wehrte sich, aber ich drückte fest zu. Schließlich gab er nach und ich spürte, wie er steif wurde. Ich lehnte mich an den Felsen. Er glitt mit seinem Kopf in meinen Schoß. Ich hielt das Tuch an sein Gesicht gepreßt, schloß die Augen und lauschte.
    Jedes Geräusch im Walde, jede Maus, die über ein Blatt lief, jeder Atemzug des Winds – sie alle weckten in mir die Vorstellung, sie hätten uns entdeckt. In diesem Moment konnten sie auf dem Felsrücken über uns stehen, zu uns niederblicken und warten, daß wir uns bewegten, damit sie auf uns schießen konnten.
    Es ist nur eine Frage der Zeit, dachte ich. Ich konnte nicht aufhören darüber nachzudenken, wie beschissen aussichtslos dies alles war. Du hast kein Essen, kein Wasser, keine Waffen, keinen Ausweg. Du wirst hier sterben, genau wie Tom und diese anderen Männer.
    Diese anderen Männer. Sie müssen der Grund für all dies hier sein. Irgendwie müssen sie in eine schlimme Sache geraten sein, und Tom ist mit ihnen untergegangen. Und wir jetzt auch.
    Scheiß drauf, dachte ich. Noch sind wir nicht tot.
    Noch sind wir nicht tot. Fünf Wörter. Sag sie immer wieder vor dich her, wieder und wieder.
    Noch sind wir nicht tot.
    Vinnie zitterte. Er versuchte etwas zu sagen, aber ich konnte keinen Sinn reinkriegen.
    »Du mußt weitermachen«, sagte ich. »Um Himmels willen mach doch weiter, ja?« Ich versuchte ihn noch mehr in die Arme zu nehmen, um ihn warmzuhalten.
    »Gib nicht auf«, sagte ich, »Bitte, Vinnie. Wir kommen da durch.«
    Ich ließ den Kopf sinken. Ich war so erschöpft und spürte, wie ich in einen halbwachen Traum glitt. Ich spürte, wie Kiefernzweige mein Gesicht peitschten, spürte, wie meine Beine liefen, wie meine

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