Himmel voll Blut - DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
jemandem damit richtig wehzutun. Falls ich die Chance bekäme, ihn zu benutzen.
Eine einzelne Wolke segelte über den Himmel und verbarg den Mond. Es war zu dunkel, um noch irgend etwas zu sehen. Wir warteten, daß sie vorüber zog, und gingen dann den Rest des Wegs zur Hütte, wobei wir zum Schluß fast krochen. Schließlich verließen wir den Pfad und bahnten uns einen Weg durch die Bäume. Bei jedem Schritt hielt ich den Atem an.
Zum Schluß waren wir dicht genug herangekommen, um die Hütte durch die Bäume sehen zu können. Sie war vollständig dunkel. Wir ließen uns jeder auf ein Knie nieder und verharrten so in völliger Stille, die Blicke auf die Hütte und ihre Umgebung gerichtet. Nichts bewegte sich.
»Was meinst du?« flüsterte ich.
»Ich glaube nicht, daß sie da drinnen sind.«
»Wie können wir uns vergewissern?«
Er schüttelte den Kopf. »Reingehen können wir nicht. Irgendwie müssen wir sie rauslocken.«
»Die einzigen Fenster gehen nach vorne raus«, sagte ich. »Jeder von uns sollte an einer Seite entlang gehen, bis wir zur Tür kommen. Dann werfen wir irgendwas und schauen, was sich tut.«
»Und wenn sie schießen?«
»Dann müssen wir angreifen. Ihnen einen überziehen, sobald sie zur Tür rauskommen.«
»In Ordnung«, sagte er. »Ich nehme die linke Seite, nimm du die rechte.«
»Wenn nichts geschieht, gehe ich rein. Du gehst dann besser in den Wald zurück.«
»Nein, ich werde versuchen, dich zu decken. Wenn sie draußen sind und schießen, wirf dich einfach hin. Du bist da drinnen relativ sicher, wenn sie draußen sind. Ich krieg dann raus, von wo aus sie schießen.«
Ich holte tief Luft und stieß sie wieder aus. »Okay«, sagte ich. »Signal fürs Nichts.«
»Warte«, sagte er und sah zum Himmel. »Der Mond wird gleich von einer weiteren Wolke verdeckt.« Wir warteten noch ein paar Minuten. Die Wolke schob sich vor den Mond und warf einen Schatten über die ganze Szene. Wir suchten uns einen Weg durch das Unterholz hinaus auf die Lichtung. Jeden Moment erwartete ich die Schüsse. Die Frage war nur, wer von uns zuerst getroffen würde.
Wir krochen näher an die Hütte heran. Ein leichter Wind kam auf. Von weit her führte er die Ahnung eines Geräusches mit sich. Wieder die Bären. Ich mußte schlucken und kroch weiter.
Dann ein anderes Geräusch. Ein plötzlicher Luftzug. Ich packte die Keule und bereitet mich darauf vor loszuschlagen.
Fledermäuse. Die gottverdammten aufgewachten Fledermäuse von der Hüttenrückwand. Ein paar Dutzend von ihnen starteten vom Boden der Wand in die Nacht. Ich holte tief Luft und bewegte mich weiter.
Als wir die Hütte erreichten, schob ich mich um die rechte Seite. Es war ganz schön stressig, daß ich nicht sehen konnte, was Vinnie machte. Ich stieß auf den Plastikdeckel der Abfalltonne. Das würde mein Instrument zur Ablenkung sein. Als ich zur Vorderseite der Hütte kam, blickte ich vorsichtig um die Ecke und gewahrte Vinnie. Er nickte mir kurz zu.
Ich warf den Deckel gegen die Türe. Er traf den Rahmen und fiel dann zu Boden. Schepper. Schepper.
Nichts tat sich.
Ich wartete noch eine Minute. Dann bog ich um die Ecke und schob mich zur Türe vor, wobei ich mich tief bückte. Ich sah durch das Fenster mit dem Fliegengitter, konnte aber nicht das Geringste erkennen. Die Tür quietschte, als ich sie anstieß. Scheißtür. Scheißbeschissene Scheißtür.
Als der Spalt groß genug war, schob ich mich nach drinnen. Bei all dem Mondschein draußen war ich drinnen völlig blind.
Eine ganze Weile saß ich da und gab meinen Augen Gelegenheit, sich anzupassen. Draußen hatte die Wolke den Mond passiert. Ein dünner Lichtstrahl fiel durch das vordere Fenster, und langsam zeigten sich Formen im Raum. Ich sah den Tisch, den Herd, den Kühlschrank. Die Tür zum hinteren Zimmer.
Sie hatten die Hütte verwüstet. Sie war schon vorher ein Müllhaufen gewesen – jetzt war sie regelrecht zerstört. Der Boden war bedeckt mit Styroporbrocken und Zeug, das wohl die Füllung unserer Schlafsäcke gewesen war. Als ich mich zur hinteren Seite bewegte und einen Blick in den hinteren Raum warf, sah ich daß der Holzofen umgestürzt war; das Ofenrohr hatten sie regelrecht aus der Decke gerissen. Ich kam in die Küche zurück und sah in den Kühlschrank und die Schränke. Alle Lebensmittelvorräte waren verschwunden. Töpfe und Pfannen waren verschwunden, sogar die Utensilien. ›Mütterchen Hubbard sah in den Schrank‹, dachte ich, und wie komplett
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