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Himmelreich

Himmelreich

Titel: Himmelreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Dobelli
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Raststättenbeleuchtung orange -, keine Krawatte, trotzdem sehr geschäftsmäßig. Er schleicht einmal um den VW-Bus, darauf bedacht, möglichst unbeteiligt zu erscheinen. Aus Mangel an Lesestoff - ich bin es gewohnt, Totzeiten mit Brauchbarem zu füllen - greife ich nach hinten und zerre eines der Bücher aus dem Karton, Ulysses, etwas anderes steht nicht zur Auswahl. Ich lese, obwohl es mich nicht interessiert, nur damit ich nicht aufsehen muß.
    Als der Kerl plötzlich durchs Seitenfenster zu mir hereinguckt, stelle ich mich lesend, das Buch auf den Oberschenkeln, den Kopf so entspannt wie möglich. Aus den Augenwinkeln sehe ich die Großaufnahme eines jungen Gesichts, das mir irgendwie bekannt vorkommt.
    Ulysses liegt aufgeschlagen auf meinen Oberschenkeln, und ich lese, wenn auch aus Zufall, eine Stelle, wo sich eine junge Frau namens Gerty McDowell in Pose setzt, damit ein Mann namens Leopold Bloom ihre Beine, das Strumpfband und ihr Höschen möglichst gut in Augenschein nehmen kann. Ich wäre froh, gäbe es andere Literatur. Aber ich bin gezwungen zu lesen, solange dieser Mensch um den VW-Bus schleicht.
    Jetzt bloß nicht aus der Rolle fallen.
    Warum eigentlich nicht?
    Mit einer einzigen Bewegung hätte ich dieser Entführung ein Ende setzen können. Ein Wort, und es wäre aus gewesen - und damit hätte ich eine Geschichte im Keim erstickt. Ich wäre wieder zu dem geworden, der ich eigentlich bin, ein von Kopf bis Fuß makelloser Banker - ein Lebensentwurf, der mir unerhört leicht fällt.
    Plötzlich klopft es ans Fenster: »Herr Himmelreich?«
    Noch nie war ich so in ein Buch vertieft.
    Nochmals: »Sind Sie's, Herr Himmelreich?«
    »What the hell is going on?« Ich reiße die Autotür auf und schnauze ihn in einem so perfekten Amerikanisch an, daß er erschrickt und gleich zwei Schritte zurückstolpert.
    »Sorry«, sagt er, »sorry.« Sein Versuch, mich mit Gesten zu beruhigen.
    »Get the hell away from my car!«
    »Aber Sie sind doch Herr Himmelreich. Ich kenne Sie.«
    Just als er seine Kamera zückt, knalle ich ihm die Autotür vor dem Gesicht zu und verriegele sie von innen. Sprachlos steht er da, im ersten Moment verdutzt, aber bald bewegt er sich wieder so frei und geschäftig, als wäre nichts geschehen. Er schießt ein paar Bilder mit Blitzlicht und verschwindet in seinem BMW. Scheinwerfer aus.
    Josephine kehrt von der Toilette zurück, schlendernd, pfeifend, ohne den mindesten Anflug von Eile.
    »Los. Fahr schon.«
    Josephine prüft irgend etwas - ihr Haar, ihre Augen, die Lippen, ich weiß nicht, was - im Autospiegelchen.
    »Sie ist hinter uns her.«
    »Deine Frau?«
    »Die Sicherheitsabteilung der Bank, glaube ich.«
    »Ich bitte dich, wir sind in Frankreich.«
    »Trotzdem, Josephine, bitte, ich will mir nicht noch weitere Schwierigkeiten aufhalsen mit dieser idiotischen Entführung.«
    Sie lacht nur.
    »Bitte!« Ich flehe sie an.
    »Küß mich.«
    Ich weigere mich, auf Abruf zu küssen. Küsse sind kein Zahlungsmittel, keine Münze, die man einschiebt, damit sich etwas bewegt.
    »Hier.« Ich nehme den Autoschlüssel vom Armaturenbrett, wo sie ihn hingelegt hat, und stecke ihn ins Zündschloß. »Bitte«, sage ich mit verschränkten Armen und lehne mich demonstrativ zurück.
    Ihre Augen, wenn sie mich so ansieht - dieser Ausdruck, der mehr als ein Lächeln ist, ein lieb gemeinter Vorwurf, der mich jedesmal verstummen läßt, weil er mir so bestimmt vorkommt und gleichzeitig so arglos. Ich muß mich zwingen, Josephine jetzt nicht zu küssen - Ich küsse sie.
    Sie startet den Motor. In dem Moment macht der schwarze BMW seine Scheinwerfer wieder an. Wir rasen davon.
    Meine Entscheidung, ihn einzuladen, erfolgt auf der nächsten Autobahnraststätte, wo er uns wiederum belauert. Es war so offensichtlich. Ja, es ging mir gehörig auf die Nerven, dieses Katz-und-Maus Spiel, und so stieg ich aus und sprach ihn einfach an. Dabei fiel es uns sofort auf, daß wir uns ja alle drei von irgendwoher kannten. Josephine sprach ihn sogleich mit Namen an. Tatsächlich: Es war Renfer, der Chef des Sicherheitsdienstes, den wir auf unserer kleinen Bürotour am letzten Sonntag im Kontrollzentrum der Bank angetroffen hatten, während die Umzugsleute mit der Packerei beschäftigt waren.
    Jetzt saßen wir in einem Restaurant in Niort, südlich von Nantes.
    »Daß man sich so wiedertrifft.«
    Es war mir peinlich. Aber wir saßen nun einmal alle drei an diesem Tisch und warteten auf die Bedienung.
    »Dieses Brot!« schwärme

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