Himmels-Taler
niemand die Sprache der unbelebten Gegenstände sprechen konnte außer König Dor. Daher war Dor ein Magier und Grundy keiner.
Doch obwohl Grundy eine faszinierende Persönlichkeit sein konnte, hatte er nicht viel drauf, wenn es darum ging, Häuser zu erbauen. Vielleicht war Dolph mit dem Skelett tatsächlich besser dran, genau wie seine Mutter es vermutet hatte – nein, die Sache mußte doch auch ihre Haken haben!
Am Morgen stand Dolph auf und verpaßte dem Haus einen Tritt, worauf es sich wieder in das wandelnde Skelett verwandelte. Mark erklärte ihm, daß er in früheren Zeiten von Hand wiederhergestellt werden mußte, Knochen um Knochen, daß es ihm aber mit entsprechender Übung gelungen war, sich aus jeder beliebigen Konfiguration sofort wieder selbst zusammenzusetzen. Das war sehr gut, denn Dolph hätte nur sehr wenig Lust gehabt, einen Knochenhaufen wieder zusammensetzen zu müssen. Danach verwandelte Dolph sich in eine Ameise und aß einen weiteren Brotkrumenteil. Schließlich nahm er wieder die Jungengestalt an, und gemeinsam gingen sie zum Schloß.
Sie kreuzten den Verzauberten Pfad und folgten ihm bis zum Haupteingang. Selbst in seinem verlassenen Zustand wirkte das Schloß noch sehr imposant. Es besaß einen Graben von ordentlicher Größe, der zur Hälfte mit schleimigem Wasser gefüllt war, sowie eine klapprige Zugbrücke, bedeckt mit Spinnweben; und die Steine seiner Mauern waren grün von Mehltau. Das Schloß sah ganz und gar gespenstisch aus: eine echte Wonne.
»Vielleicht…« fing Mark an.
Dolph, der gerade auf die Zugbrücke zugehen wollte, blieb stehen. Die Wunden von den verletzten Federn erinnerten ihn immer noch daran, daß er den Rat eines Erwachsenen wohl besser beherzigen sollte.
»… sollte ich als erster hineingehen, um sicherzustellen, daß uns keine Gefahren drohen«, schloß das Skelett.
»Aber wäre das nicht auch für dich gefährlich?«
»Was soll mir schon gefährlich werden?«
Darauf wußte Dolph keine Antwort. Alles, was beispielsweise gerne nach Beinen schnappte, würde schon Probleme mit Marks Knochen bekommen, und alles, was den Lebenden gern einen Schrecken einjagte, würde Schwierigkeiten haben, den Toten zu erschrecken.
Mark durchquerte als erster den Schloßgraben, wobei er mit seinen knochigen Füßen auf die alten Holzplanken der Zugbrücke stampfte. Unter ihm gab nichts nach. Er erreichte das riesige, geöffnete Tor und blickte um sich. Nichts rührte sich. Dann klopfte er gegen das Gestein des Bogens, durch den man ins eigentliche Schloß gelangte. Das hohle Geräusch hallte wider und verstummte. Das Schloß wirkte leer.
Nun schritt Dolph hinüber, wobei ihm seine eigene Vorsicht eher peinlich war. Wie sah das denn aus, wenn ein Abenteurer derartig zögernd ein verlassenes Schloß aufsuchte? Er hätte doch schwertschwingend hineinstürzen müssen! Wenn er ein Schwert besessen hätte.
Hatte seine Mutter ihn vielleicht nur ziehen lassen, weil sie gewußt hatte, daß die Queste harmlos war, daß er gar nichts entdecken würde? Daß alles, was er hier erreichen konnte, darin bestehen würde, sich das leere Schloß anzuschauen, um danach wieder unverrichteterdinge nach Hause zurückzukehren? Wobei Mark ihn begleiten sollte, um sicherzustellen, daß er sich nicht verlief? Das wäre vielleicht ein erbärmliches Abenteuer! Wahrscheinlich kicherte Ivy sich gerade auf ihre unterträgliche Große-Schwester-Art beinahe zu Tode.
Dolph beschloß, nicht eher nach Hause zurückzukehren, bevor er den Guten Magier gefunden hatte. Dann würden die Augen machen!
Nun mußte er sich nur noch überlegen, wie er das bewerkstelligen sollte!
Sie schritten durch das ganze Schloß, fanden aber nichts als leere Gewölbe, in denen es von Spinnweben nur so wimmelte. Der persönliche Besitz des Magiers war kurz nach Entdeckung der Katastrophe von Leuten aus Schloß Roogna aufgeräumt und verstaut worden. Alles, was hätte entdeckt werden können, wäre inzwischen mit Sicherheit aufgespürt worden. Für Dolph blieb nichts mehr zu entdecken.
»Hier scheint es nichts Interessantes mehr zu geben«, bemerkte Mark.
Welch eine Neuigkeit! Dolph starrte in tiefer Verdrossenheit auf den Fußboden. Er wußte, daß ihm keine andere Wahl blieb, als nach Hause zurückzukehren, es sei denn, daß er etwas aufstöberte, was bisher noch niemand gefunden hatte.
»Allerdings…« fing Mark an.
Was für Einschränkungen konnte das Skelett denn jetzt schon wieder geltend machen? Dolph horchte
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