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Himmels-Taler

Titel: Himmels-Taler Kostenlos Bücher Online Lesen
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griffen ins Leere und verdichteten sich. Schon bald würde Fracto sie wieder umhüllen, und diesmal würden sie nicht die Flucht als Überraschungsmoment nutzen können.
    Vielleicht konnten sie sich verstecken. Dolph schob den Stock vor. Der Vogel ging tiefer. Er erreichte die untere Wolkenbank, dann stürzte er durch sie hindurch.
    »Du hast doch wohl Witze gemacht, als du sagtest, du wüßtest, wie man landet?« fragte Dolph Mark.
    »Der Fluglotse hat es mir erklärt«, bestätigte das Skelett. »Das hier soll keiner unserer Alpträume sein, sie wollen nur, daß wir die Luft so schnell wie möglich verlassen.«
    Dolph fragte sich, warum der Kürbis sie hierher geführt hatte, wenn doch alles nur ein Versehen war. Vielleicht lag es auch daran, daß er dazu bestimmt war, den Taler zu suchen, und da dies der einzige Weg war, hatte der Kürbis keine andere Wahl.
    Fracto spürte sie tatsächlich wieder auf, doch inzwischen flogen sie zu tief, als daß der Sturm sich auf sie hätte stürzen können. Dolph ließ den Vogel noch tiefer gehen. Er entdeckte die Küste und den überraschend schmalen Wasserstreifen zwischen ihr und der Insel der Aussicht. Es war erstaunlich, wie trügerisch diese Perspektive doch sein konnte!
    Nun erklärte Mark ihm, welche Knöpfe er drücken mußte, um den Vogel in Sicherheit tiefer zu bringen und abzubremsen. Dolph befolgte die Anweisungen, ohne Fragen zu stellen. Der Vogel flog eine Schleife und landete von der Südseite, in Nordrichtung fliegend setzte er auf den Strand auf. Sand spritzte hoch, und der Vogel zitterte und zuckte schrecklich, doch schließlich gelangte er knapp vor der Nordspitze der Insel zum Halten. Matt vor Erleichterung öffnete Dolph die Tür und sprang hinaus, gefolgt von den Skeletten.
    Und dort, vor ihnen, befand sich ein kleines Gebäude. Tatsächlich war es ein Grabmal. Blumen wuchsen in einem kleinen Garten auf ihm, und er wußte, daß es Varianten der ›Blume des gebrochenen Herzens‹ waren. Außerdem gab es hier eine Tür aus festem Stein.
    Dolph versuchte sie zu öffnen, doch die Tür rührte sich keinen Millimeter. Niemand konnte zu der Maid oder zum Himmelstaler hinein. Niemand, der nicht den richtigen Schlüssel besaß.
    Dolph wandte sich an Grazi. »Kannst du die Tür öffnen?«
    »Ich werde es versuchen«, sagte sie.
    Sie begann ihre Rippen mit den Fingerspitzen abzuklopfen. Obwohl sie sehr fleischig aussah und sich auch so fühlte, war es doch Illusion. Tatsächlich stießen ihre Knochenfinger bis zu den Rippen vor, als sie es versuchte. Grazi erklopfte eine aufsteigende Notenskala, beginnend mit den längsten Rippen in der Mitte und endend mit den kürzesten in Hüftnähe. So kamen merkwürdigerweise die höchsten Töne von den untersten Rippen. Schließlich berührte sie die kleinste der Rippen, worauf der grazile Klang ertönte.
    Das Grabmal bebte, es hallte von der Note wider. Dann ging die Tür knarrend auf. Die G-Rippe der Skelettfrau hatte Erfolg gehabt!
    Dolph trat durch die dunkle Öffnung. Im Innern war es gespenstisch kalt. Bald darauf hatten seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt, und er erblickte eine lange Kiste, die auf einem Sockel stand. Sie sah aus wie ein Sarg. Darin mußte die schlafende Maid liegen.
    Er drückte gegen den Deckel, der sofort aufschwang. Es sah aus wie ein Mädchen; ein Kind, nicht älter als Dolph. Sie trug einen schlichten Umhang, und ihr hellbraunes Haar war zu beiden Seiten zu Zöpfen geflochten, die ihr über die Schultern fielen. Sie sah süß aus, hatte ein paar Sommersprossen, war aber auch sehr bleich.
    »Wir müssen ihr aufhelfen«, entschied Dolph. »Sie weiß, wo der Himmelstaler ist.«
    Er griff hinab, um ihre Hände zu nehmen – doch seine eigenen Hände glitten ohne Widerstand durch ihren Körper. Dolph starrte sie an, betastete mit einer Hand ihr nichtexistierendes Fleisch. »Sie ist ein Gespenst!«
    »Vielleicht bist du auch eins«, sagte Mark. »Vergiß nicht, du bist jetzt im Kürbis; deinen Körper hast du zurückgelassen.«
    »Ach ja. Aber wie kann ich sie dann wecken?«
    »Ich glaube, schlafende Maiden werden traditionell durch Küsse geweckt. Wenn sie erst einmal wach ist, müßte sie eigentlich aus eigener Kraft aufstehen können.«
    »In Ordnung, ich werde sie küssen. Ich weiß ja jetzt, wie das geht.«
    Vorsichtig beugte Dolph sich vor und berührte die Lippen der schlafenden Maid.
    Das Mädchen riß die Augen auf. »Pi!« rief sie. »Xip psf zpv?«
    »O nein! Sie spricht mundanisch!«

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