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Himmels-Taler

Titel: Himmels-Taler Kostenlos Bücher Online Lesen
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Grazi nicht.
    Sein Entsetzen blieb, aber sein Denken bewirkte, daß sich der Trieb, sich zusammenzuducken, in trotzigen Kampfesmut zu verwandeln begann. Es gab keine Möglichkeit, wie er gegen die Macht des Nachthengstes etwas hätte ausrichten können. Nicht hier, nicht auf dem Terrain des Hengstes. Nicht nach den Regeln des Hengstes. Und doch mußte er es versuchen. Das war kein Mut, das war schiere Verzweiflung. Grazi bestand zwar nur aus Knochen, aber sie war eine gute Person, und irgendwie mußte er ihr helfen.
    »Der Angeklagten wird vorgeworfen, einen ordentlichen beschlossenen und hergestellten Traum verdorben sowie gegen die Auflagen der Verbannung verstoßen zu haben«, sagte der Richter Nachthengst. »Wofür plädiert sie?«
    »Oh, ich habe es getan«, sagte Grazi unglücklich. »Ich…«
    »So meint sie das nicht!« rief Dolph. »Sie plädiert für nicht schuldig!«
    »Aber ich habe doch…«, wandte Grazi ein. »Ich will doch nicht versuchen, jemanden zu täuschen…«
    »Nicht schuldig, weil…« Dolph hielt inne. Seine Inspiration ließ ihn im Stich. Er mußte eine Möglichkeit finden, um die Sache wieder in Ordnung zu bringen.
    Das gesamte Gericht war erstarrt und erwartete sein Plädoyer. Die Jury musterte ihn, ebenso alle Kreaturen im Publikum, der Richter und seine Schwester. Alle warteten darauf, daß er etwas wirklich Dummes sagen würde. Damit Grazi wünschen würde, sie wäre ohne ihn hierhergekommen.
    »Weil…« Noch immer war er gehemmt. Was konnte er schon sagen, wenn doch keines dieser Kreaturen hier auf Grazis Seite war? Daß der Zweck die Mittel nicht heiligte? Das würden sie ihm sofort im Mund umdrehen und ihm nachweisen, daß der Zweck, einen anständigen Troll zu verschonen, es nicht heiligte, einen wohlvorbereiteten Traum zunichte zu machen. Oder vielleicht, daß der Zweck, den Himmelstaler zu suchen, nicht das Mittel heiligte, gegen Grazis Verbannungsauflagen zu verstoßen? Nach ihrer Definition war Grazi in beiderlei Hinsicht schuldig, und gegen diese Definition wußte er nichts auszurichten. Und doch wußte er, daß irgend etwas daran falsch war und daß man sie nicht für ihre Anständigkeit bestrafen durfte. Wie sollte er das deutlich machen?
    »Weil es einfach nicht so war«, schloß er lahm.
    Der Richter furchte die Stirn. »Die Angeklagte plädierte für nicht schuldig, weil das einfach nicht so war«, wiederholte er tonlos.
    Gekicher im Publikum. Ivy legte abfällig die Nase in Falten. Er hatte die Sache versiebt, genau wie sie es erwartet hatte.
    »Das Wort hat die Anklage«, sagte der Richter.
    »Wir haben vor zu beweisen, daß es im Gegenteil allzu sehr so war«, erwiderte Ivy prompt. »Dieses törichte Gerippe hat einen vollkommen guten Traum zunichte gemacht und ist dann auch noch zurückgekehrt, um damit anzugeben. Da gibt es nur eins: Rübe ab!«
    Das Publikum applaudierte, und mehrere Geschworenen nickten.
    »Übernehmen Sie Ihren Fall«, sagte der Richter.
    »Die Anklage ruft als ersten Zeugen Miesmacher Troll«, sagte Ivy, vor Zuversicht nur so strotzend.
    Ein großer, häßlicher, übelgelaunter Troll trat in den Zeugenstand. »Weißt du, was passieren wird, wenn du hier nicht die Wahrheit sagst?« fragte ihn der Hengst.
    Der Troll zuckte zusammen. »Ich sage alles, was du willst, ganz ehrlich!« erwiderte er schnell. »Ich schwöre es!«
    Nun fing Ivy an, und zwar genau so, wie es ihre Art war. »Miesmacher, stammst du aus demselben Dorf wie Tristan Troll?«
    »Dieser windelweiche Jammerlappen?« rief Miesmacher empört. »Weißt du, was dieser Maultierhintern getan hat?«
    »Beantworte nur die Fragen«, ermahnte ihn der Richter.
    »Ja, ich schäme mich sagen zu müssen, daß ich aus demselben Dorf bin.«
    »Und was hat Tristan Troll genau getan?« fragte Ivy.
    »Er hat versucht, unser Dorf auszulöschen! Er hatte einen richtig schönen Leckerbissen in seiner Gewalt, einen, den wir uns alle geteilt hätten, und er hat ihn einfach laufen lassen! Wir sind fast verhungert! Wir mußten uns die ganze Zeit mit gröbstem Gliep ernähren! Mir wird jetzt noch schlecht, wenn ich nur daran denke!« Und tatsächlich sah der Troll so aus, als wollte er sich übergeben. Für alle Fälle kam ein Gerichtsdiener mit einer Schüssel herbeigehuscht.
    »Dein Zeuge«, sagte Ivy und feixte Dolph an.
    Sein Zeuge? Dolph hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Dumm saß er da.
    »Will die Verteidigung diesen Zeugen ins Kreuzverhör nehmen?« fragte der Richter.
    Dolph musterte den Troll.

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