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Himmels-Taler

Titel: Himmels-Taler Kostenlos Bücher Online Lesen
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nach der das Meer der Kälte auf dem Mond benannt ist. Ich überbringe jenen, die sie verdient haben, Alpträume.«
    »Wie lange hältst du diese Position schon inne?« wollte Ivy wissen.
    »Dreihundert Jahre.«
    »Du bist also eine erfahrene Traumüberbringerin?«
    »Ja.«
    »Und du bist auch stolz auf deinen Beruf?«
    »Natürlich. Das ist eine großartige und sehr notwendige Beschäftigung. Ich nehme meine Arbeit sehr ernst.«
    »Und du solltest auch in jener Nacht Tristan Troll den Traum überbringen?«
    »So ist es.«
    »Hattest du irgendeinen Grund, daran zu zweifeln, daß es sich bei diesem Traum um ein Produkt von hoher Qualität handelte, das für diese Gelegenheit besonders gut geeignet war?«
    »Nein. Er wurde in einem Paket angeliefert. Tatsächlich hatte man sich so viel Mühe damit gegeben, daß ganze drei Nachtmähren damit beauftragt werden mußten. Ich war die erste – das war eine Auszeichnung.«
    »Und ist der Traum so abgelaufen wie geplant?«
    »Nein.« Die schwarze Frau in dem kleinen Traum runzelte die Stirn. »Es war eine Katastrophe und für uns alle äußerst peinlich.«
    »Was ist genau geschehen?«
    »Ein wesentlicher Teil sollte von einem weiblichen Skelett gespielt werden…«
    »Von der Angeklagten?«
    »Ja. Doch anstatt dem Träumer Angst einzujagen, wie sie es hätte tun sollen, indem sie die Gestalt eines weiblichen Mitglieds seines Stammes annahm, das auf Grund seines Vergehens verhungert war, hat sie…« Da stockte die junge Frau in dem Traum, angewidert von dem Ausmaß des Verrats.
    »Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst«, sagte Ivy mitfühlend. »Erzähle uns mit eigenen Worten ganz genau, wie diese Schurkin euer Kunstwerk ruiniert hat.«
    »Es war so subtil, so heimtückisch, daß ich es beim ersten Probelauf gar nicht bemerkte. Der ganze Traum war völlig korrekt, er sollte das Opfer garantiert im Schlaf schreien lassen, bis es heiser wurde.«
    »Und warum hat das nicht funktioniert?« hakte Ivy nach.
    »Wegen einiger weniger Worte, die sie zu Anfang ihres Einsatzes flüsterte«, erklärte das schwarze Mährenmädchen. »Sie sagte zu dem Troll ›Ich glaube, du hast richtig gehandelt.‹ Da wußte er, daß es nur ein Traum war und daß selbst jene, die gekommen waren, um ihn zu peinigen, das gar nicht wirklich wollten. So nahm er ihn nicht länger ernst und litt kaum darunter. Die Traumarbeit einer ganzen Nacht war ruiniert!« Da brach das Mährenmädchen fast zusammen, es konnte nicht mehr weiterreden.
    »Deine Zeugin«, sagte Ivy hämisch.
    Was sollte Dolph mit dieser Zeugin tun? Die Tatsachen waren nicht zu bezweifeln; Grazi hatte wirklich getan, was ihr vorgeworfen wurde. »Keine Fragen«, sagte er.
    »Die Anklage hat keine weiteren Zeugen«, verkündete Ivy.
    Die Tatsachen waren eindeutig genug. Dolph begriff, daß seine einzige Chance darin lag, ihre Deutung zu beeinflussen. Gewiß würden die Geschworenen Grazis Motiv anerkennen, wenn es erst einmal dargestellt worden war. Und er wußte auch genau die richtige Person, die dies verdeutlichen konnte. »Mela Meerfrau.«
    Mela trat vor. Sie hatte sich hierfür Beine zugelegt, die wirklich wunderschön waren.
    »Mela, bist du mit der Angeklagten bekannt?«
    »Ja, ich habe sie ganz gut kennengelernt, als sie in meinem Hort war.«
    »Was ist sie deiner Meinung nach für eine Person?«
    »Nun, natürlich ist sie nicht lebendig, sie besteht nur aus Knochen. Deshalb weiß ich nicht, ob es gerecht wäre, sie danach zu beurteilen…«
    »Versuch es einfach«, sagte Dolph in dem kurzangebundenen Tonfall, der am besten anzukommen schien. Er verstand zwar nicht viel von Prozessen, aber dumm war er auch nicht.
    »Ich würde sagen, daß sie eine wirklich nette Person ist. Sie sorgt sich um die Leute und versucht immer zu tun, was recht ist. Ihr Freund Mark ist übrigens auch so. Der…«
    »Du sagst, daß sie sich um die Leute sorgt«, unterbrach er sie, denn er wußte, daß er es sich nicht leisten konnte, seine Pluspunkte zu gefährden, indem er sie vom Thema abschweifen ließ. »Aber sie ist doch nicht lebendig, nicht wirklich menschlich. Wie kann sie da etwas für ein Menschenkind empfinden?«
    »Sie empfindet Mitgefühl für jeden, der Mitgefühl braucht«, erwiderte Mela schlicht. »Ich kenne einige lebende Leute, die das nicht tun.« Finster musterte sie Draco Drache. »Grazi ist jedenfalls eine unlebendige Person, die Mitgefühl hat.«
    Er sah, wie Vida Vila im Geschworenenstand auf diese Bemerkung reagierte. Jetzt war es

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