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Himmels-Taler

Titel: Himmels-Taler Kostenlos Bücher Online Lesen
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    »Onoma, erscheint es dir nicht seltsam, daß jemand dafür bestraft werden soll, daß er etwas Anständiges getan hat?«
    »Mir erscheint nichts seltsam«, sagte sie und sah auf merkwürdige Weise nach nichts aus. »Alles sieht genauso aus, wie es sich anhört.«
    Dolph konnte einfach keine Beziehung zu ihr herstellen. Er wußte nicht, wo sie stand. Aber wenn er sie aus der Jury entfernen ließ, würde sie möglicherweise durch jemanden ersetzt werden, der noch schlimmer war. Er entschied sich dazu, darauf zu setzen, daß sie sich nicht als allzu schlimm erweisen würde.
    Als nächstes kam ein Schwein, das eine Statue aus Elfenbein hinter sich herzog, die fast so groß war wie es selbst und offenbar eine Sau darstellte. »Pyg Malion«, sagte das Schwein und trabte zum Stand weiter. Vida und Onoma mußten ihm dabei helfen, sein Elfenbein hochzuzerren. War das Schwein nun gut oder schlecht für Grazi? fragte sich Dolph und fürchtete sich vor einer Antwort.
    »Was hast du da?«
    »Galatea, die schönste der Schweine. Ich liebe sie.«
    »Aber das ist doch bloß eine Statue!« wandte Dolph ein. »Eine Elfenbeinstatue, und sie ist noch nicht einmal beendet.«
    »Dein Fall auch nicht«, versetzte Pyg.
    Da hatte er nicht unrecht. Dolph beschloß, auf Widerrede zu verzichten.
    Das nächste Wesen sah so unaussprechlich dumm aus, daß Dolph sich fragte, wie man es jemals in eine Jury hatte wählen können. »Ignor Amus«, sagte es stumpfsinnig und stolperte zum Stand hinüber.
    »Meinst du, daß man eine Frau dafür bestrafen sollte…«
    »Ich verstehe nichts von irgend etwas«, antwortete Amus.
    »Wie kannst du dann abstimmen?«
    »Ich stimme einfach so ab, wie alle anderen es tun. Das mache ich immer so.«
    Nun, wenn die Mehrheit für Grazi votierte, würde dieses Wesen schon in Ordnung sein. Es war wohl besser, es dabei zu belassen.
    Doch es kam noch schlimmer. Diesmal trabte ein großes Tier mit schwerem Körper und dicken Hörnern, das doppelt so dumm aussah wie sein Vorgänger. »Oxy Moron«, dröhnte es mit leichter Schwerfälligkeit.
    »Wie bitte?« fragte Dolph.
    »Oxy Moron. Ich bin dummklug. Ich mag Haßliebe und helle Dunkelheit.«
    »Äh, was die Angeklagte betrifft…«
    »Das ist eine gutmütige Bösartige.«
    »Aber…«
    »Und du bist ein schlauer Narr.«
    Wieder grübelte Dolph, und wieder gelangte er zu dem Schluß, den Geschworenen zuzulassen. Es konnte ja durchaus sein, daß diese Kreatur recht hatte.
    Die letzten beiden Geschworenen versuchte Dolph gar nicht erst einzuordnen. Sie schienen keine feste Gestalt zu haben.
    »Ich bin Ymec Doche«, sagte der erste. »Du darfst mich mit irgendeinem meiner Teile ansprechen oder jeden Teil als ganzes, Winzfuß.«
    Dolph wirbelte der Kopf. Er verstand diese ganzen Leute überhaupt nicht! Er wandte sich an den letzten.
    »Ich bin Meto Nomie«, sagte der Mann. »Du kannst mich unter jedem meiner Attribute anreden, Verlierer.«
    Verwirrt zog sich Dolph zurück. Wie würden diese seltsamen Leute nur abstimmen? Das wußte er nicht zu sagen. »Keine Anfechtung«, meldete er.
    Jetzt waren die Geschworenen vollzählig: zwölf seltsame Wesen. Wie sie entscheiden würden, wußte Dolph noch nicht, aber die Sache sah nicht sonderlich gut aus.
    »Die Anklage«, sagte der Hengst.
    Eine neue Gestalt trat aus der Masse hervor. Als er sie erblickte, fiel Dolph fast in Ohnmacht. »Prinzessin Ivy«, sagte sie deutlich.
    Seine Schwester! Seine rotznasige, vierzehnjährige Schwester! Von allen Gelegenheiten und Orten, wo sie hätte auftauchen können, war dies hier mit Abstand der schlimmste! Wieviel Pech konnte er eigentlich noch haben?
    Pech? Nein, erkannte er. Schließlich war das hier der Kürbis, wo der Nachthengst regierte. Das war das Reich der Träume, und der Hengst war der Meister der Alpträume. Grazi stand vor Gericht, weil sie einen Alptraum zunichte gemacht hatte, und so erlitt sie nun ihren eigenen Alptraum und Dolph mit ihr.
    Er war ohnehin schon nervös gewesen und hatte Angst gehabt. Jetzt aber war er völlig aufgelöst. Grazi hatte versucht, ihn vor der Macht des Hengstes zu warnen; nun begann er diese Macht erst richtig einzuschätzen. Der Hengst hatte mit ihm nur ein Spiel gespielt, hatte ihm unwichtige Türen vorgesetzt, mit denen er sich hatte herumschlagen müssen, während er diesen gräßlichen Prozeß vorbereitet hatte. Wie sollte er Grazi vor der sicheren Vernichtung bewahren? Er selbst war lebendig; er würde nur erwachen, wenn der Traum zu Ende war.

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