Himmels-Taler
ein sehr nettes Mädchen, mußt du wissen.«
»Das weiß ich. Aber…«
»Wenn ich also Prinz Naldo heiraten würde, wäre die Verbindung immer noch gültig, und deine Verlobung mit Nada ließe sich in beiderseitigem Einverständnis auflösen. In seiner menschlichen Gestalt ist er ein sehr stattlicher Mann, es wäre also nicht so schlimm, und…«
Dolph sah ein, daß es stimmte. So würde er auf ehrenhafte Weise die Verlobung mit Nada lösen können. Und dennoch war er erstaunt. »Aber warum würdest du…«
»Das habe ich dir doch schon gesagt – weil es eine gute Lösung wäre. Niemand verliert dabei, niemand gerät in Verlegenheit. Und du säßest dann auch nicht mehr in der Patsche.«
»Aber liebst du Naldo denn?«
»Natürlich nicht! Ich kenne ihn ja gar nicht! Aber das spielt doch keine Rolle. Ich bin sicher, daß das mit der Zeit schon kommen würde. Solche arrangierten Ehen bringen oft gute Sachen hervor. Unsere Großeltern…«
»Ich erinnere mich. Aber ich meine, warum solltest du so etwas tun, wenn du es doch gar nicht mußt? Es ist doch schließlich mein Problem und nicht deins, und…«
»Weil ich dich gern habe, du Idiot!« empörte sie sich. Und dann, nach einer peinlichen Pause: »Oh! Das wollte ich eigentlich nicht sagen.«
Dolph spürte, wie eine heiße Welle seinen Körper durchflutete. »Dann kannst du es ja zurücknehmen.« Aber plötzlich erinnerte er sich an die vielen Dinge, die Ivy im Laufe der Jahre für ihn getan hatte: etwa als sie ihm gezeigt hatte, wie er an die Kekse, die hoch oben im Regal aufbewahrt wurden, herankommen konnte, indem er sich in eine Raupe verwandelte und hinaufkletterte; wie sie ihm Geheimnisse anvertraut hatte, ohne seine eigenen herauszuposaunen. Auf hundert verschiedene kleine Weisen hatte sie ihm gezeigt, wie gern sie ihn hatte. Wenn er doch nur genauer hingesehen hätte! Im Laufe ihrer hitzigen und häufigen Streitgespräche hatte er solche Dinge schon völlig vergessen, doch nun erkannte er, daß Liebe sich nicht allein auf Erwachsene oder auf Wesen unterschiedlicher Herkunft beschränkte; es gab sie auch in der Familie.
Sie seufzte, und er bemerkte überrascht, daß ihr die Tränen über die Wangen liefen. »Nein, das kann ich nicht. Weil es nämlich stimmt. Du magst zwar ein ungezogenes Balg sein, und wir streiten uns auch die ganze Zeit, weil das zwischen Geschwistern so zu sein hat, aber du bist schließlich mein Bruder, und ich liebe dich, auch wenn es sich nicht gehört, das richtig zu zeigen. Ich würde für dich sterben, Dolph, wenn ich müßte, und eine Ehe ist nicht halb so schlimm. Also brauchen wir jetzt keine riesige, sentimentale Sache daraus zu machen. Du hast ein Problem, das ich lösen kann. Ich kann dir helfen und…«
»Und ich liebe dich auch«, sagte er. »Ich schätze, ich konnte dem bloß nicht ins Auge sehen, deshalb habe ich so getan, als würde ich dich hassen. Aber als ich dich in diesem Traum applaudieren sah, ganz am Schluß, da hatte ich das Gefühl…«
»Das war auch der einzige Teil, der wirklich war, ganz im Ernst«, erwiderte sie. »Ich habe es verabscheut, so bösartig zu dir sein zu müssen, als es doch so darauf ankam, aber der Nachthengst hat gesagt…«
»Ich weiß. Und ich versuchte zu glauben, daß alle vierzehnjährigen Mädchen schrecklich sind, und als sich dann herausstellte, daß Nada…«
»Ihr Alter spielt doch wirklich keine Rolle. Ich mag sie; sie ist eine echte Prinzessin. So kann ich euch beiden einen Gefallen tun…«
»Ich weiß nicht. Laß mich darüber nachdenken, Ivy.«
»Aber was gibt es darüber nachzudenken? Ich habe dir doch gesagt, daß ich es tun werde.«
»Umarm mich einfach«, sagte er, unfähig, seine Tränen länger zurückzuhalten.
»Oh.« Sie umarmte ihn, und er umarmte sie, und sie weinten beide, was natürlich ziemlich töricht war, denn schließlich waren sie ja gar nicht unglücklich.
Am Morgen traf er sich mit seinen Eltern, König Dor und Königin Irene. »Wie du weißt, haben wir deine Abenteuer mitverfolgt«, sagte Dor. »Es ist uns auch aufgefallen, welches Problem du mit Prinzessin Nada und dem Mädchen aus der Vergangenheit, Electra, hast. Wir haben Verständnis dafür, daß du weder deine Vereinbarung mit Nada brechen noch zulassen willst, daß Electra zugrunde geht, selbst wenn sie nicht dazu gebraucht würde, den Himmelstaler anzufertigen, den du suchst. Das ist ein ehrenwertes Dilemma.«
»Ja«, stimmte Dolph zu.
»Kein Zweifel, es sind beides nette
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