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Himmels-Taler

Titel: Himmels-Taler Kostenlos Bücher Online Lesen
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herbeigeschwommen.
    Dolph wich zurück. Er wollte nicht, daß sie wieder nach ihm grabschte.
    »Verpaß dem Segel einen Tritt!« befahl der Schädel.
    Dolph begriff, daß dies die einzige Möglichkeit war, wie Grazi ihre Gestalt verwandeln konnte. Er stand auf.
    Da packte sie ein plötzlicher Windstoß. Das Boot kenterte. Dolph, der auf wackligen Beinen gestanden hatte, wurde in das wogende Meer gerissen.
    Er öffnete den Mund, um zu schreien, aber sein Magen krampfte sich so heftig zusammen, daß das, was dabei herauskam, durchaus kein Schrei war. Es war vielmehr ein Würgen.
    Da hatte die Meerfrau ihn schon gepackt. »Jetzt gehörst du mir, du kostbarer Junge!« sagte sie. »Küß mich!« Sie drückte ihr Gesicht auf seins.
    Da brach der Inhalt von Dolphs Magen hervor, spritzte auf ihre Nase und tränkte ihr Haar.
    »Iiiih!« rief sie. »Ich dachte, du wärst stubenrein!« Aber sie ließ ihn nicht los, sondern riß ihn unter Wasser.
    Dolph atmete ein. Er glaubte, daß er ertrinken würde, aber als er einen vollen Atemzug voll Wasser nahm, war es genau wie Luft. Sie hatte recht gehabt: Sie hatte ihn dazu in die Lage versetzt, Wasser atmen zu können.
    Ihr Schwanz schlug vor und zurück, ihr Körper wand sich in Wellen, und sie bewegte sich mit großer Anmut. Sie zerrte ihn hinter sich her, und ihr Griff hielt seinen Arm so kräftig fest, daß er sich nicht befreien konnte. Doch selbst wenn er es täte, was würde dann wohl passieren? Sobald er den Kontakt zu ihr unterbrach, würde sich das Meer möglicherweise für ihn wieder in Wasser verwandeln, und er würde ertrinken.
    Kein Zweifel – er war ihr Gefangener. Was würde mit ihm geschehen?
     
    Mila legte ihn in einem Höhlengarten am Meeresboden ab, der von baumähnlichen Algen umringt war, die in einem Bogen nach oben strebten und dort einen Baldachin bildeten. Der Boden war mit hübschen bunten Steinen bedeckt. Einige von ihnen leuchteten und erhellten mit ihren sanften Grün-, Rot-, Blau- und Gelbtönen die Umgebung, so daß er alles deutlich sehen konnte. Hier und dort trieben Bündel aus feinem Seetang, die wie Kissen aussahen. Zwischen den Seebäumen und den Steinen befand sich ein grober Kreis aus glänzenden Metallen.
    »Begib dich nicht über den Baldachin hinaus«, ermahnte ihn Mela. »Mein Zauber wirkt nur hier, jenseits dieser Grenze kannst du im Wasser nicht atmen, es sei denn, du hältst Körperkontakt mit mir. Wir befinden uns hier in ziemlicher Tiefe; du würdest mit Sicherheit ertrinken.«
    Dolph schwamm hinüber und steckte den Kopf zwischen den Meerbäumen hervor. Hier wirkte das Wasser dichter, und je weiter er kam, um so schlimmer wurde es, bis er fast erstickte. Sie hatte recht: Er konnte nicht davonschwimmen.
    In der Mitte des Gartens hatte sie eine Feuerstelle eingerichtet. Sie legte einige Wasserscheite darauf, und sofort begann das Feuer warm zu lodern.
    »Aber wie kann es denn unter Wasser Feuer geben?« fragte Dolph erstaunt.
    »Das ist natürlich Meermagie«, erklärte sie. »Wir sind ausgezeichnete Hausfrauen, kümmern uns um Herd und Garten, bis unsere Ehemänner zurückkehren.« Dann wandte sie sich ab.
    »Ehemänner?« fragte Dolph. »Wenn du einen Ehemann hast, warum…«
    »Ich hatte einen Ehemann, Merwin Meermann. Aber der ist fort.«
    »Fort? Wohin denn?«
    Mit zuckenden Schwanzflossen drehte sie sich zu ihm um. »Du bist noch jung, und ich habe dich gegen deinen Willen hierhergebracht, deshalb muß ich dir verzeihen, daß du dich ungehobelt benimmst. Ich habe mich euphemistisch ausgedrückt. Merwin ist tot.«
    »Oh.« Dolph hatte sie tatsächlich nicht richtig verstanden. Er wollte noch weitere Fragen stellen, beispielsweise was das Wort ›euphemistisch‹ bedeutete, begriff aber, daß das vielleicht nicht klug war. »Es tut mir leid.« Langsam gelang es ihm immer besser, sich wie ein Erwachsener zu entschuldigen.
    Und sie reagierte auch wie eine Erwachsene. »Nein, das konntest du doch nicht wissen. Ich muß mich bei dir für das entschuldigen, was ich getan habe. Aber laß es mich dir erklären.«
    Das war es genau, was er wollte. Erwachsene hatten manchmal eine merkwürdige Art, Dinge zu tun, aber im allgemeinen ereichte sie dabei schon ihr Ziel. Also hielt er den Mund und hörte zu.
    »Wir Meermenschen leben schon sehr lange«, erklärte Mela. »Die Männer werden alt und runzlig, während die Frauen weiterhin jung aussehen. Das hat mit Hormonen zu tun – na ja, wir wollen nicht allzu genau auf Einzelheiten eingehen.

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