Himmels-Taler
verblüfft.
»Natürlich nicht. Mein Hintern ist doch tatsächlich fischig. Aber wie alle meiner Art, kann auch ich mich verwandeln.«
Sofort wurde ihr Schwanz unscharf und bildete sich zu einem Paar wohlgeformter Menschenbeine aus.
»Oh.« Das hätte er wissen müssen. »Aber dann kannst du doch durchaus an Land gehen. Du hast gesagt…«
»Ich habe gesagt, daß ich ein Meereslebewesen bin, und das stimmt ja auch. Natürlich kann ich an Land gehen, wenn ich muß. Aber ich mag es nicht; das Gewicht, das dann auf meinen Füßen lastet, ist sehr lästig, und die Trockenheit ist unerträglich. Wenn ich mich zum Drachenhort begäbe und tatsächlich das Glück hätte, den Feuerwasseropal an mich zu bringen, müßte ich immer noch zu Fuß ans Meer zurückkehren, und ich bezweifle, daß ich das schaffen würde. Nein, diese Beine sind nur für bestimmte Anwendungen gedacht; ansonsten bevorzuge ich den Schwanz.« Die Beine verschwammen, und wieder bildete sich der Fischschwanz.
Dolph war fast enttäuscht. Er bekam nur selten nackte Frauenbeine zu sehen; meistens waren es die Beine von Nymphen, die gerade davonliefen. Es war ja nicht so, daß an Beinen etwas Besonderes gewesen wäre, aber aus irgendeinem Grund sollten Kinder sie nicht aus allzu großer Nähe zu sehen bekommen, und das machte ihn natürlich neugierig.
Dann schwamm Mela hinaus, um sich um ihr Anwesen zu kümmern. Sie hatte, wie sie erklärte, eine Herde von Seekühen und ein Seepferd zu hüten, die sie mit Seehafer ernährte. Außerdem ein hübsches Beet mit Seegurken, die sie vor den Streichen der Seekobolde beschützen mußte. Sie bot ihm an, mit ihr hinauszuschwimmen, um alles zu besichtigen, doch er lehnte ab; für einen Tag hatte er genügend Erfahrungen gesammelt.
»Also gut, dann morgen«, sagte sie. »Da kannst du mir dabei Gesellschaft leisten, wie ich den Meeresboden nach Muscheln und Edelsteinen absuche. Wäre es nicht schön, wenn wir einen weiteren Feuerwasseropal fänden?«
»Würde das bedeuten, daß ein anderer Meermann dich heiratet?« wollte er wissen.
»Ja, wahrscheinlich.«
»Dann würdest du mich ja gar nicht mehr gefangenhalten müssen!«
»Oh, ich mag dich aber lieber«, meinte sie. »Schließlich bekommt ein Mädchen nicht allzu oft Gelegenheit, einen echten Prinzen großzuziehen.«
Soviel zu diesem Einfall.
Am Abend fütterte Mela ihn mit widerlich gesundem Meeresessen und mit Delphinmilch, dazu – wie zu erwarten gewesen war – mit selbstangebauten Seegurken. Dann schickte sie ihn zu jener völlig unvernünftig frühen Stunde ins Bett, auf der die Erwachsenen immer bestanden, und gab ihm mehrere schwebende Kissen mit, die ihn beunruhigend an ihren nackten Busen erinnerten. Bäh! Es gab auch eine algenbedeckte Kabine für die Erledigung gewisser dringender Geschäfte; die Algen schnappten das Zeug weg, als wäre es eine große Belohnung, und nutzten es als Dünger. Mela versorgte ihn sogar mit einem Nachthemd aus gewebten Seegrasfasern. Er mußte zugeben, daß ihr Garten und ihre Fürsorge sehr bequem waren; nach den Maßstäben der Erwachsenen tat sie alles andere, als ihn zu mißhandeln. Sie gab ihm sogar ein leckeres Stück Salzwasserkonfekt, dann bestand sie darauf, daß er sich die Zähne mit einer Zahnbürste putzte, die sie aus einem gesunkenen Schiff gerettet hatte, und daß er sich hinter den Ohren wusch.
Während er in den Schlaf hinüberdämmerte, dachte er noch einmal über die Ereignisse des Tages nach. Er war nicht gerade glücklich über seine Gefangenschaft, mußte aber zugeben, daß Mela nach ihren eigenen Maßstäben gerecht und vernünftig handelte.
Offensichtlich würde ihr der Himmelstaler nicht sehr viel nützen. Er konnte inzwischen verstehen, warum sie sich mit einem menschlichen Ehemann zufriedengeben würde.
Wahrscheinlich gefiel es ihr ebensowenig wie dem Mann, aber es war immerhin für sie eine Möglichkeit, zu einer Familie zu kommen, auch ohne den Feuerwasseropal zu besitzen. Es war einfach nur Dolphs persönliches Pech, daß ausgerechnet er in ihre Gefangenschaft geraten war.
Er würde lernen müssen, die einander überschneidenden Magien zu handhaben, damit er sich in einen Fisch verwandeln und Wasser atmen konnte. Er hoffte, daß es ihm gelingen würde, bevor Mela ihn davon überzeugt hatte, für immer bei ihr zu bleiben. Schon jetzt fürchtete er, daß ihm nicht mehr allzu viel Zeit blieb.
Doch dann, kurz vor dem Einschlafen, fiel ihm wieder etwas ein: Der Webteppich war auf ihn
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