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Himmels-Taler

Titel: Himmels-Taler Kostenlos Bücher Online Lesen
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eingestellt. Die Leute auf Schloß Roogna würden wissen, wo er war! Sie würden ihm zur Hilfe kommen! Er brauchte sich keine Sorgen zu machen!
    Doch wie kam es dann, daß er eine gewisse Wehmut der Enttäuschung empfand?

6
Skelett-Mannschaft
    »Halt dich fest, Dolph!« rief Mark, als der plötzliche Windstoß das Boot kentern ließ.
    Doch es war zu spät; Dolph stürzte in die wogende See. Mark konnte ihm nicht mehr helfen, da sein Schädel im Inneren des Gefährts ruhte und er nicht hinausblicken konnte. Alles, was er erkennen konnte, war das Aufblitzen einer Schwanzflosse, als die Meerfrau sich bewegte.
    Er wußte, daß sie hinter dem Unwetter steckte. Sie hatte Fracto herbeigerufen, der nur zu gern Unheil gestiftet hatte, und nun hatte sie, was sie wollte. Sie würde Dolph in die Tiefe zerren und ihn dort für immer bei sich behalten.
    Mark wußte, daß er dafür verantwortlich war, denn schließlich war er ja Dolphs erwachsener Begleiter. Er hätte diese Katastrophe vorhersehen und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen ergreifen müssen. Wären sie direkt an Land übergesetzt, hätte die Meerfrau sich niemals einmischen können. Ja, es wäre sogar eine Hilfe gewesen, hätte er Dolph im letzten Augenblick noch dazu aufgefordert, sich in einen Meeresvogel oder einen Fisch zu verwandeln. Aber sein hohler Schädel hatte nicht schnell genug gedacht, und so hatte er nur eine hohle Warnung zustande gebracht. Natürlich war der Junge viel zu abgelenkt gewesen, um aus eigener Entscheidung seine Gestalt zu verwandeln; die Meerfrau hatte viel zu schnell zugeschlagen.
    Er mußte etwas tun, um Dolph zu helfen. Zunächst aber, mußte er sich selbst helfen. Er und Grazi mußten ihre gewöhnliche Gestalt wieder annehmen. Im Augenblick konnte Grazi nicht einmal sprechen, weil ihre Zähne sein Schienbein umklammerten, das als Stützbalken fungierte.
    Die heftigen Winde heulten weiter, und die Wellen taten ihr Bestes, um das Fahrzeug in Stücke zu schlagen. Sollte es ihnen gelingen, wären beide Skelette verloren, denn ein Auseinanderreißen konnten sie nicht überleben. Nicht in einer solchen Situation. Würde solch ein Unglück an Land geschehen, könnten Freunde die Knochen wenigstens wieder einsammeln und zusammensetzen, aber hier im Meer gab es keine Freunde.
    »Wir stecken in der Klemme«, rief er über das Tosen und Gischten hinweg. »Laß nicht los, Grazi, bis ich mir etwas ausgedacht habe. Vielleicht können wir den Sturm aussitzen!«
    Doch noch größeres Unheil schien sich über ihnen zusammenzubrauen. Der bösartige Fracto konzentrierte sich nun auf das Boot und versuchte es auseinanderzureißen. Fracto liebte es, Dinge zu vernichten; dafür war er berüchtigt. Wann immer man sich gerade keinen Regen wünschte, kam Fracto herübergeschwebt, um eine Sturzflut zu bringen; und wenn man ruhiges Wetter brauchte, war Fracto prompt zur Stelle, um es zu stören.
    Außerdem spülten die Wellen das Fahrzeug immer weiter aufs Meer hinaus. Fracto wollte sichergehen, daß kein einziger Knochen mehr das Ufer erreichte!
    Weder Mark noch Grazi konnten ihre Gestalt verändern, bevor ein anderer ihnen nicht einen Tritt gab. Die Stöße der Wellen genügten nicht, es mußte ein schneller Tritt gegen den Steißknochen sein. Wenn der eine seine natürliche Gestalt wiedererlangte, konnte er den anderen zwar treten – doch wie hätte einer von ihnen das jetzt vollbringen sollen?
    »Du bist eine schreckliche Person, Fracto!« rief Mark voller Wut. Doch die Winde lachten nur. Fracto amüsierte sich tatsächlich köstlich.
    Da fiel Mark etwas ein. Seine Armknochen bildeten einen Teil der seitlichen Bootstützen, und seine Handknochen hielten die Enden zusammen, wobei die Finger den obersten Rand bildeten. Wenn er seinen hohlen Finger nur ein Stück heben könnte…
    Es kostete ihn große Mühe, da er sich nicht in seiner natürlichen Gestalt befand, doch es gelang ihm schließlich, den Finger so weit zu heben, daß er im rechten Winkel zur Bootskante abstand. Nun mußte nur noch Fracto seinen Teil beisteuern.
    »He, du schäbige Wolke!« rief er mit seinen Kieferknochen. »Ich verachte dich! Ich zeige dir den Finger!«
    In Xanth gab es viele verschiedene Arten von Magie, doch manche Aspekte der Magie waren so universal und grundlegend, daß man sie überall finden könne. Einer davon war die Beleidigungsmagie, besonders in ihrer schlichtesten Variante. Ein einzelner erhobener Finger war der mächtigste Zauber von allen; jeder, der ihn erblickte,

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