Himmels-Taler
behandelt wurde. Die Meerfrau hatte ihm ein schwebendes Bett aus Kissen bereitet, er schlief bereits. Wenigstens wußten sie, daß ihm keine unmittelbare Gefahr drohte – was allerdings bedeutete, daß er bei der Meerfrau immer zufriedener wurde.
»Wir müssen unsere Suche einfach am Morgen wieder aufnehmen«, meinte Chex unglücklich. »Ich hatte gehofft, die Sache etwas schneller erledigen zu können.«
»Was hast du denn noch vor?« wollte Grazi wissen.
»Die Luftungeheuer wollen auf dem Gipfel des Bergs Sauseschnell eine Zeremonie abhalten, und ich möchte nicht zu spät kommen.«
»Ist das Wohlergehen von Prinz Dolph nicht wichtiger als eine Zeremonie?« erkundigte sich Mark.
»Ja, natürlich ist es das«, erwiderte sie und errötete dabei ein wenig. Die Farbe überzog Gesicht und Brüste und verschwand schließlich in ihrem pferdischen Hinterteil wie eine Wolke, die kurz einen Schatten auf eine Landschaft geworfen hatte. »Trotzdem hoffe ich, daß wir ihn am Morgen retten können.«
Chex suchte sich etwas Obst, während die beiden Skelette sich einfach auf dem Boden niederlegten. Sie brauchten auch keine Ruhe, aber weil Chex sich hinlegte, fanden sie es nur höflich, sich anzuschließen.
Die Zentaurin schlief mit angelegten Flügeln, ein Ohr in den Wind gestellt, damit niemand sich unbemerkt in der Nacht an sie heranschleichen könne.
Da hatte Mark einen Einfall, daß er die Nachtstunden dazu nutzen konnte, nach dem zweiten Hexenhaselstrauch zu suchen. Also erhob er sich leise – und entdeckte, daß Grazi es ihm gleichtat. Sie hatte genau den gleichen Gedanken gehabt.
Wortlos trennten sie sich voneinander und setzten die Suche jeweils im Norden und im Süden fort. Sie konnten im Dunkeln einigermaßen gut sehen, weil sie sich nicht der ineffizienten Augäpfel der Lebenden bedienen mußten.
In der Morgendämmerung kehrte Mark zurück, er hatte nichts entdecken können. Bald darauf erschien auch Grazi. Sie berührte seinen Armknochen und klopfte einmal dagegen: Sie hatte etwas gefunden! Dann legten sie sich wieder an derselben Stelle nieder, um nach Chex’ Aufwachen den Eindruck zu erwecken, als sei nichts geschehen.
Nach einer Weile rührte sich die Zentaurin. Sie pflückte noch etwas Obst, aß es, kümmerte sich um die anderen natürlichen Funktionen, mit denen die Lebenden gestraft waren, und war bereit, die Suche fortzusetzen. »Irgendwo muß es doch etwas geben!« meinte sie.
»Vielleicht gibt es auch etwas«, warf Grazi ein. »Muß die zweite Pflanze unbedingt ein Hexenhaselstrauch sein?«
»Na ja, wir brauchen schon zwei Pflanzen, sonst funktioniert die Magie des Triangulierens nicht. Ich weiß nicht, was sonst…«
»Würde ein Pfeilwurz auch genügen?«
»Natürlich! Aber von denen habe ich auch keinen entdecken können.«
»Ich glaube, ich kann mich an einen erinnern«, meinte Grazi »Vielleicht irre ich mich auch.«
Das war möglich, begriff Mark. Schließlich war sie noch nicht sehr lange in diesem Reich und konnte unmöglich schon alle Pflanzen kennen. Andererseits gab es im Hypnokürbis auch Vegetation.
Sie folgten ihr zu der Pflanze, und es war tatsächlich ein Pfeilwurz. Sie ließen ihn am Rucksack schnüffeln, dann warteten sie, während die Wurzeln ihr Ziel anpeilten. Plötzlich brach eine Pfeilspitze aus dem Boden und zeigte in eine Richtung. Nun hatten sie ihre zweite Linie!
Sie verlängerten die beiden Linien bis zum Wasser und schätzten ab, wo sie sich kreuzen würden. Dort mußte sich unter der Wasseroberfläche der Hort der Meerfrau befinden. Nachdem die Ortung abgeschlossen war, brauchten sie nur noch eine Luftpflanze, doch es dauerte kaum einen Augenblick, da hatten sie bereits eine gefunden.
»Vergeßt nicht, daß ich euch nicht mehr helfen kann, wenn ihr erst einmal im Wasser seid«, ermahnte sie Chex. »Ich werde euch mit dem Spiegel im Auge behalten, um zu erfahren, wann ich euch wieder hochhieven soll, sollte aber irgend etwas schieflaufen, kann ich nicht hinter euch herkommen.«
»Wir kommen schon zurecht«, meinte Mark und hoffte, daß er recht behielt. Wenn die Meerfrau große Fische nach ihnen schicken sollte, wäre ihr ganzes Unternehmen in Gefahr. Aber was konnten sie anderes tun, als es zu versuchen?
Zusammen mit Grazi kletterte er in das Netz, und Chex befestigte den Spiegel an ihrer Mähne, wo sie ihn jederzeit hervorholen konnte. Dann berührte sie das Netz mit einem Schweifzucken, wodurch es leichter wurde. Sie packte die Enden des Netzes mit
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