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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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es dir beweisen!« Sie riss Pepe die Spritze aus der Hand und stach sich die Nadel in den Bauch. »Ich bekomme ein Kind von dir! Seit Monaten trage ich es in mir, für dich! Aber jetzt lasse ich es frei! Gleich kannst du es sehen!«
    Sie packte die Spritze mit beiden Händen, um sie sich ein zweites Mal in den Bauch zu stoßen. Doch während sie ausholte, traf sie von der Seite ein Wasserstrahl, so hart und unverhofft, dass sie gegen die Wand taumelte. Wie ein Blitz durchzuckte sie der Schmerz. Während sie zu Boden sank, sah sie zwei kalte, stechende Augen. Ungläubig schaute sie ihn an.
    »Hast du den Befehl gegeben, Harry?«
    Ohne den Blick von ihr zu wenden, nickte er, das Gesicht undurchdringlich wie eine Wand. Laura fröstelte. Plötzlich war es ganz kalt in dem Raum, so kalt wie am Nordpol, und während Pepe sich über sie beugte, um ihr die Spritze aus der Hand zu nehmen, gefror Harry vor ihren Augen zu Eis.
    »Was soll ich tun, damit du mich liebst?«, flüsterte sie. »Soll ich mich umbringen für dich?«
    Er versuchte, seine Lippen zu bewegen, doch sie rührten sich nicht. Nur ein eisiger Hauch entwich seinem Mund. Obwohl sie seine Stimme nicht hören konnte, wusste sie doch, welche Antwort er gab.
    »Ja«, sagte er.
    17
    Die Zeit, die nun anbrach, war für Harry ein einziges Martyrium. Allein Maréchal Pétain, von dessen Kalender er jeden Morgen ein Blatt abriss, konnte erahnen, welche Qualen er in der Einsamkeit seiner Berghütte durchlitt. Noch bevor Lulu sich auf den Weg zurück ins Dorf gemacht hatte, war Harry ihrem Rat gefolgt und hatte einen Brief nach Marseille geschrieben, in dem er Debbie Jacobs um ein Ticket für die Überfahrt nach Amerika, die Bürgschaft für ein Visum sowie um ein paar Hundert französische Francs zur Deckung seiner Reise- und Lebenskosten bat. Um ihr den Ernst seiner Lage zu verdeutlichen, hatte er ihr mitgeteilt, dass er nicht nur vollkommen mittellos sei, sondern dass ihn auch seine Windsbraut verlassen habe.
    Zwar dauerte es nur wenige Tage, bis Debbie Jacobs reagierte, doch für die Beleidigung, die er ihr vor Jahren zugefügt hatte, ließ sie ihn zappeln. Statt einfach seine Bitte zu erfüllen, wie er wider alle Vernunft gehofft hatte, verknüpfte sie die Zusage ihrer Unterstützung mit einer Bedingung. Freiheit gegen Kuns t – so lautete das Geschäft. Doch auf jeden Entwurf für ein Gemälde, den er ihr schickte, reagierte sie mit Kritik und verlangte einen weiteren Vorschlag. Harry verfluchte die Arroganz, mit der er diese Frau in seinem Atelier behandelt hatte. Würde sie ihm jemals verzeihen? Um sich der Folter des Wartens zu entziehen, malte er für sich selber ein Bild, das sein ganzes Elend zum Ausdruck brachte und zugleich das Elend seiner Zeit: eine Landschaft, die von Verwüstung und Tod gezeichnet wa r – Nach dem großen Regen .
    Zwei endlose Monate vergingen, bis Debbie Jacobs ihn aus seiner Ungewissheit erlöste. Statt bis in alle Ewigkeit Briefe zu wechseln, so ihr plötzlicher Bescheid, solle Harry lieber nach Marseille kommen und möglichst viel Material mitbringen. Sie werde dann vor Ort die Bilder aussuchen, die sich für ihre Sammlung eigneten. Was im Gegenzug ihren Teil des Handels beträfe, so habe sie schon alles vorbereitet. Seine Flucht aus Europa solle via Lissabon erfolgen.
    »Hab ich’s nicht gesagt?«, triumphierte Lulu.
    Harry schloss die Augen und küsste den Brief. »Lissabo n …«
    Der Name berührte ihn wie die Verheißung eines Glücks, das er fast schon verloren geglaubt hatte. In Lissabon würde er Laura wiederfinden. Zusammen würden sie ein Schiff besteigen, um nach Amerika zu fahren, ins gelobte Land.
    »Noch eine Kleinigkeit«, sagte Lulu. »Wie willst du nach Portugal kommen ohne Pass?«
    »Ach du Scheiße!«, rief Harry. »Daran habe ich gar nicht gedacht!«
    »Was hast du eigentlich im Kopf? Nur deine Urwälder und Kobolde?« Verärgert schüttelte Lulu ihre grauen Zotteln. »Meinst du, ich könnte dich hier ewig verstecken?«
    »Man könnte fast glauben, du willst mich loswerden«, schnaubte Harry.
    Beleidigt kehrte er ihr den Rücken zu. Von der Wand blickte Maréchal Pétain auf ihn herab. Der alte General sah so freundlich und gütig aus in seiner goldbetressten Unifor m – kein Mensch würde glauben, dass er mit dem Teufel paktierte. Und doch hatte er seinem Freund Adolf Hitler versprochen, auf Verlangen jeden Deutschen auszuliefern.
    Warum hatte Laura nur seinen Pass mitgenommen?
    Plötzlich hatte Harry eine

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