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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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man sich hier am Kamin, um zwischen goldgerahmten Spiegeln und kunstvoll gestalteten Messingleuchtern der alten gemeinsamen Lieblingsbeschäftigung zu frönen: dem Wahrheitsspiel.
    »Hast du mit der Schauspielerin geschlafe n – ja oder nein?«, wollte Pompon wissen, als der Flaschenhals auf Harry zeigte.
    »Wie bitte?« Harry hatte gar nicht gemerkt, dass er an der Reihe war. Er hatte gerade den Brief geöffnet, den Jeannette, die Köchin der Villa, ihm beim Abendessen gegeben hatte. Der Brief war heute angekommen und stammte von Bobby aus New York.
    »Wir wollen wissen, ob du mit der Schauspielerin geschlafen hast«, wiederholte Pompon. »Der Freundin von Maître Simon.«
    »Zum hundertsten Ma l – nein!«
    »Und warum hat sie dich dann laufen lassen?«
    »Ein Kuss hat gereicht. Wenn du je einen Kuss von mir bekommen hättest, wüsstest du, warum.«
    Pompon verzog angewidert das Gesicht. »Ich warne dich. Wenn rauskommt, dass du uns belügst, ist ein Pfand fällig. Ich habe in deinem Zimmer zufällig eine Flasche Wein gesehen. Die werde ich gnadenlos konfiszieren, falls du versuchst, deine Freund e …«
    »Kommt gar nicht infrage!«, fiel Harry ihm ins Wort. »Die Flasche ist Privateigentum! Die trinke ich mit Laura in Lissabon. Um unser Wiedersehen zu feiern.«
    »Darüber hast du nicht allein zu bestimmen! Eigentum ist Diebstahl!«
    »Du kannst mich mal«, sagte Harry und verließ den Tisch.
    Während Pompon die leere Flasche abermals auf dem Tisch kreisen ließ, zog Harry sich in den hintersten Winkel der Bibliothek zurück, um endlich Bobbys Brief zu lesen. Vielleicht konnte sein Sohn ihm ja aus der Klemme helfen. Seit drei Wochen war Harry jetzt in der Villa Bel-Air, doch Debbie Jacobs hatte sich immer noch nicht blicken lassen. Angeblich reiste sie nach wie vor in der Gegend herum, um Bilder für ihre Sammlung zu kaufen.
    Ungeduldig öffnete er das Kuvert. Doch kaum hatte er die ersten Zeilen gelesen, verdrehte er die Augen. Bobby hatte ja schon eine Menge verrückter Ideen gehabt, um seine Eltern nach Amerika zu holen. Doch der Vorschlag, den er jetzt machte, schlug dem Fass den Boden aus. Bobby wollte versuchen, ein gemeinsames Visum für seine Eltern zu beschaffe n – indem er sie als Ehepaar ausgab! Das Leben berühmter Künstler, schrieb Bobby, sei den Amerikanern mehr wert als das Leben gewöhnlicher Sterblicher. Harrys Antrag würde darum mit höchster Priorität bearbeitet, und als seine Frau könne Mathilde von der Berühmtheit ihres ehemaligen Mannes profitieren und zusammen mit ihm ausreisen. Die Tatsache, dass sie seit Jahren geschieden waren, sei dabei kein Problem. Die Scheidungsurkunde sei nie ins Französische übersetzt worden, wie es von Rechts wegen nötig wäre. Formal würden sie deshalb in Frankreich nach wie vor als verheiratet gelten.
    Mit einem Kopfschütteln ließ Harry den Brief sinken. War der Junge noch bei Verstand?
    »Monsieur Winte r …«
    Harry drehte sich um. Hinter ihm stand Jeannette und wischte sich die Hände an der Schürze ab.
    »Unten in der Halle wartet eine Dame, die Sie sprechen möchte.«
    »Eine Amerikanerin?«, erwiderte Harry.
    Jeanne zuckte die Achseln. »Französin ist sie jedenfalls nicht.«
    2
    »Glück muss der Mensch haben!«
    »Ja, wer hat, dem wird gegeben.«
    Unter den neidischen Kommentaren seiner Freunde eilte Harry aus der Bibliothek. Er würde Debbie Jacobs kein zweites Mal warten lassen! Doch auf dem Treppenabsatz blieb er stehen. Sollte er sie auf sein Zimmer führen? Oder sollte er die Bilder lieber zu ihr hinunter in die Halle bringen?
    Seit er in der Villa untergekommen war, hatte er die meiste Zeit an der Staffelei verbracht. Maître Simon hatte zwar sein Cabrio abholen lassen, aber seinen Teil des Geschäfts hatte er nicht erfüllt. Harry hatte dem Chauffeur, den der Notar geschickt hatte, die Autoschlüssel ausgehändigt, ohne ausreichend gründlich die Kiste mit seinem Eigentum zu prüfen. Unter ein paar gerahmten Bildern, die oben in der Kiste gelegen hatten, waren lauter leere Leinwände zum Vorschein gekommen. Harry wusste, das war seine eigene Schuld. Mit seiner verfluchten Angeberei hatte er den Notar ja mit der Nase darauf gestoßen, wie wertvoll seine Gemälde waren. Zum Glück hatte er wenigstens das wichtigste Bild gerettet. Die Himmelsbeute nahm die ganze Hauptwand seines Zimmers ein. Debbie Jacobs würden die Augen überlaufen, wenn sie das riesige Gemälde zu sehen bekam.
    Harry beschloss, sie auf sein Zimmer zu führen.

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