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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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interessiert mich so wenig wie der St. Nimmerleinstag. Darum zum allerletzten Mal: Was sind Ihre Einkünfte?«
    Harry fühlte sich wie ein Mann, dem man schon das Hemd ausgezogen hatte und der nun auch noch die Hosen runterlassen sollte.
    »Bin ich wirklich verpflichtet, Ihnen darüber Auskunft zu geben?«
    »Ich fürchte ja. Andernfalls sehe ich nur noch die Möglichkei t – nun ja, Sie wissen schon.«
    Harry atmete tief durch, und obwohl die Worte ihm kaum über die Lippen kamen, sagte er schließlich: »Die Eltern meiner Verlobten sind sehr wohlhabend. Sie schicken uns jeden Monat fünfzig Pfund aus London. Wenn Sie darauf bestehen, kann ich Ihnen die Belege der Überweisunge n …«
    »Aha!«, rief Philibert und schlug mit der Hand auf den Schreibtisch. »Wir sind also verlob t – obwohl wir kaum geschieden sind!« Er trat auf Harry zu und stieß ihm seinen Zeigefinger auf die Brust, einmal, zweimal, dreimal, wie die Mündung einer Pistole. »Sie haben die Wahl, Monsieur Winter. Entweder Sie kehren zu Florence zurück und sorgen dafür, dass meine Tochter wieder glücklich wir d – oder abe r …« Er sprach den Satz nicht zu Ende. »Zwei Wochen, Monsieur. Keinen Tag mehr . – Ich wünsche noch einen schönen Abend.«
    7
    Wie es sich für den Empfang einer echten Jacobs gehörte, schien die Sonne von einem stahlblauen Winterhimmel herab, als Debbies Maschine zur Landung auf dem Flughafen Le Bourget ansetzte. Aus der Ferne grüßte mit schlanker Eleganz der Eiffelturm, und links und rechts der Seine wuselte das Leben auf den von Raureif glitzernden Boulevards und Plätzen, als würde ganz Paris zu einer Musette tanzen. Aufgeregt beugten die Passagiere sich zu den Fenstern, um sich gegenseitig die Stadt der Liebe zu zeigen, und auch Debbie wäre zweifellos beeindruckt gewese n – allein, sie hatte diesen Anblick schon so oft genossen, dass er sie so gleichgültig ließ wie der Anblick einer hübschen Postkarte, die man selber schon unzählige Male verschickt hatte.
    Sie kam gerade aus London, wo sie ein Dutzend Bilder für das Museum gekauft hatte, das sie in New York eröffnen wollte: eine Sammlung zeitgenössischer Kunst, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen würd e – The Century Gallery of Modern Art . Sie hatte kürzlich ihren vierzigsten Geburtstag gefeiert, doch zum ersten Mal in ihrem Leben verfolgte sie ein Ziel, das nicht allein um die Verführung eines Mannes kreiste. Sie hatte vor Beginn ihrer Reise bereits in Amerika eine Liste von Malern erstellt, die in ihrem Museum vertreten sein sollten, und mit derselben Zielstrebigkeit, mit der sie früher die berühmtesten und attraktivsten Männer aller Herren Länder erobert hatte, kaufte sie nun in ganz Europa das Beste vom Besten, was der Kunstmarkt hergab: Jeden Tag ein Bild oder eine Skulptu r – das war ihr Pensum. Sie wollte mit ihrer Sammlung die berühmte Kollektion ihres Onkels Samuel übertrumpfen, und ihr untrüglicher Instinkt für Geld, den si e – außer dem Geld selbst natürlic h – von ihren Eltern geerbt hatte, sagte ihr, dass erstklassige Kunst wohl nie wieder so billig zu bekommen sein würde wie in diesen Zeiten, die verdächtig nach Krieg rochen. Ob man vielleicht auch nach Deutschland reisen sollte, bevor die Schießerei von vorn anfing?
    Ein schwarzes, unförmiges Taxi, das bei jeder Lenkradumdrehung ganz von allein zu hupen schien, brachte Debbie in die Stadt. Sie liebte Paris noch mehr als New Yor k – in ungefähr jedem zweiten der zwanzig Arrondissements dürfte sie eine Affäre gehabt haben, und obwohl die Franzosen im Bett meistens nicht hielten, was sie bei Tisch versprachen, gab es doch auf der ganzen Welt keine zweite Sorte Männer, die den Weg vom Tisch zum Bett auf so unterhaltsame Weise zu gestalten wussten wie sie.
    Als ihr Taxi in die Rue Jacob einbog, spürte Debbie, wie die Hormone aus alter Gewohnheit ihre Wirkung entfalteten. Wenn die Gerüchte stimmten, sah Harry Winter außerordentlich gut aus und verfügte zudem über einen unwiderstehlichen Charme. Nachdenklich zupfte sie sich an ihrem Ohrring. Der Schmuck war ein selbst gefertigtes Andenken ihres letzten Protegés und Liebhabers. Sie hatte ihn nach einer Liebesnacht auf dem Kopfkissen gefunden. Sehr hübsch, aber fürchterlich schwe r – ganz wie sein Schöpfer.
    Ob Harry Winter sich wohl auch auf die Anfertigung von Schmuck verstand?
    Das Taxi hielt vor einem Haus, für das Debbie nur der Begriff Bruchbude einfiel. Aber das hatte nichts

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