Himmelsdiebe
würden, Monsieur Winter in Kenntnis zu setzen«, sagte sie, bevor er in der Küche verschwand. »Vielleicht haben Sie meinen Namen nicht verstanden. Debbie Jacobs«, wiederholte sie. »Aus New York.«
»Oh pardon, Madame, Sie sind Amerikanerin?« Harry Winter war plötzlich wie verwandelt. Dienstbeflissen wie ein Ladenschwengel knöpfte er sein Jackett zu, knallte die Hacken zusammen und machte drei Bücklinge auf einmal. »Das ist natürlich etwas anderes. Bitte entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten. Was kann ich für Sie tun?«
Debbie wusste nicht, ob sie sich geschmeichelt oder veralbert fühlen sollte. Aber war das so wichtig? Schließlich war sie wegen der Bilder hier, nicht wegen des Malers, und nach allem, was sie an den Wänden sah, hatte sich die Reise gelohnt. Vor allem ein Feuer speiender Drache hatte es ihr angetan. Welche Geschichte sich hinter dem Bild wohl verbarg?
»Ich bin gekommen, um ein paar Ankäufe zu tätigen«, antwortete sie.
»Ankäufe tätigen?«, wiederholte er mit einer weiteren Verbeugung. »Wunderbar! Das kann niemand so gut wie eine original amerikanische Amerikanerin aus New York! Aber«, fügte er mit der Unterwürfigkeit eines Warenhausverkäufers hinzu, »sind Sie sicher, dass Sie in der richtigen Abteilung sind? Die Damenunterwäsche befindet sich im ersten Stock.«
Debbie blieb die Luft weg. Eine solche Unverschämtheit war ihr noch nie untergekommen! Sie wollte auf dem Absatz kehrtmachen, um die Wohnung zu verlassen. Aber dann fiel ihr etwas Besseres ein. Seine kleine Geliebte schien auch zu malen, ihre Hände waren voller Farbreste, und nirgendwo konnte man einen Künstler empfindlicher treffen als bei seiner Eitelkeit.
»Ich trage keine Dessou s – die stören nur, wenn es drauf ankommt«, erwiderte sie kühl. »Ich dachte eher an ein Gemälde oder eine Zeichnung. Allerdings bin ich nicht sicher, ob ich hier das Richtige finde.«
So abschätzig wie möglich ließ sie den Blick über die Bilder schweifen, die sie tatsächlich in helle Begeisterung versetzten. Wenn ihr Onkel die wunderbaren Schätze sehen könnte, die in dieser scheußlichen Mansardenwohnung versammelt waren, er würde vor Neid erblassen. Während sie innerlich bei dem Feuer speienden Drachen Abbitte leistete, wandte sie sich einem Ölgemälde zu, das sich deutlich von den übrigen Bildern unterschied. Es zeigte einen mächtigen roten Hengst und eine gelbe Stute in einem Baum.
»Die Pferde?«, fragte Harry Winter irritiert. »Ich hätte gewettet, dass Sie sich für den Drachen entscheiden.«
»Der Drache ist nicht schlecht«, sagte sie mit einem Schulterzucken. »Aber nichts im Vergleich zu den Pferden. Mir gefällt der Geist der Rebellion, den sie verkörpern«, fügte sie mit einem Blick auf seine Geliebte hinzu. »Die Pferde sehen aus, als hätten sie schon manchen Reiter in den Graben geworfen.«
Voller Genugtuung registrierte sie, wie schwer er an der Kröte zu schlucken hatte. Eine Muse war dazu da, den Meister zu bewunder n – nicht, um ihn auszustechen!
»Eine hervorragende Wahl, ich gratuliere«, erwiderte er mit angesäuerter Miene. »Sie haben Glück: Die Künstlerin ist anwesend. Darf ich sie Ihnen gleich mit einpacken?«
8
Laura fühlte sich, als trüge sie nur den Hauch eines zarten Parfüms auf ihrem Leib. Gleich nachdem Debbie Jacobs den Scheck ausgestellt hatte, war Harry mit ihr in der Metro zur Opéra gefahren. Die Zurückweisung seiner Bilder durch die reiche Amerikanerin hatte ihn so sehr verletzt, dass sie schon geglaubt hatte, er wolle mit dem Geld den Anzug kaufen, in den er sich bei Lafayette verliebt hatte, um bessere Laune zu bekommen. Er hatte eine Schwäche für elegante Kleidung, und vor die Wahl gestellt, ob er sich eine neue Krawatte oder eine warme Mahlzeit leisten sollte, hätte er sich im Zweifelsfall stets für die Krawatte entschieden. Er war so eitel, dass er sich sogar sein weißes Haar quer über den Schädel kämmte, nur damit man seine Halbglatze nicht sah, und erzählte jedem, der es nicht wissen wollte, dass er immer noch ohne Brille die Zeitung lesen konnte. Doch statt zu den Herrenanzügen hatte er Laura schnurstracks zur Damenabteilung geführt.
Auf seinen Wunsch trug sie nun zum ersten Mal das Kleid, das er für sie entdeckt hatte, aus Anlass ihres ersten verkauften Bildes, den sie an diesem Abend zusammen mit ihren Freunden im Café Flore feierten. Immer wieder musste Laura in einen der Spiegel an den Wänden schauen. Die Göttin, die ihr da
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